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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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nur die eine.«
    »Wer hat sie mitgenommen?«
    »Diese barschen Polizisten aus Bangkok, der Große und sein dicklicher Gefährte.«
    »Wurde sie offiziell verhaftet?«
    »Ich schätze, die müssen wohl einen Haftbefehl gehabt haben. Nicht mal die Kripo aus Bangkok darf eine Nonne kidnappen, oder?«
    »Glauben Sie, der Abt ist ihr gefolgt?«
    »Wissen Sie, ich lese manchmal aus der Hand, aber ich kann nicht gerade behaupten, dass meine übersinnlichen Fähigkeiten besonders ausgeprägt wären. Ich weiß nur, dass sie weg ist und ich hier die Stellung halten soll. Kann nur hoffen, dass ich so lange durchhalte, bis er wiederkommt. Einen so großen Laden möchte man nicht ganz allein schmeißen.«
    Ich bedankte mich bei dem alten Knaben und ging raus zu meinem Opa. Mich überraschte, dass noch beide Sandalen auf mich warteten, obwohl ich ein schwarzes Auge sah, das mich aus den Büschen beobachtete. Wir liefen über den betonierten Weg zum Tatort. Opa stand ein paar Sekunden etwas abseits und schüttelte den Kopf.
    »Als wollte der Mörder gefasst werden«, sagte er.
    »Völlig offen einzusehen.«
    »Sieh es dir an. Oben am Hang. Unten eine befahrene Straße. Blühende Büsche am Ort der Tat. Gut vom Tempel aus zu sehen. Und du sagst, die Hunde haben ihn angegriffen?«
    »Abt Kem meinte, das Gebell hätte ihn überhaupt erst aufgescheucht.«
    »Also hätte in dem Moment jeder herübersehen können, als die Hunde loslegten.«
    »Dann war es Zufall?«
    »Das würde ich sagen. Aber wohin ist der Täter gerannt? Ein Mann mit einer Hundemeute im Nacken. Er wird kaum bergab ins offene Gelände gelaufen sein. Er müsste hier durch …«
    Opa Jah schob sich durch die wuchernden Bougainvilleen, und mangels eines besseren Plans folgte ich ihm. Wir kamen auf der anderen Seite heraus, wo sich die Grenzpfosten des Tempels vor einem Wäldchen aneinanderreihten. Nach links reichten die Pfosten bis zur Straße. Nach rechts hin sah ich ein kleines grünes Dach.
    »Irgendeine Ahnung, was das ist?«, fragte er.
    »Ja.«
    Er wartete.
    »Würdest du es mir sagen?«
    »Da wohnt die Nonne.«
    »Na dann.«
    Ich hatte die Möglichkeit angedeutet, dass die Nonne unter Verdacht stand, mir aber alle Mühe gegeben, es unwahrscheinlich klingen zu lassen. Der betonierte Weg schlängelte sich über den Hügel und näherte sich den Unterkünften von Süden her. Es war ein offener Weg. Doch wenn ich an den Grenzpfosten entlang direkt zur Hütte blickte, sah ich ein, dass sich vielleicht jemand in den Büschen versteckt haben mochte und über den ahnungslosen Abt hergefallen war. Da beschloss ich, ihm von den Fotos zu erzählen. Nicht, dass ich sie heruntergeladen hatte, nur dass Arny und ich sie uns angesehen hatten. Wir saßen im Schatten eines besonders hohen Buschs, und ich hoffte, meine Beschreibung des Verbrechens würde die Aufmerksamkeit von meiner süßen, verliebten Nonne ablenken.
    »Glaubst du immer noch, dass sie es war?«, fragte ich.
    »Nun, wäre ich einer von diesen modernen Hightech-Yuppie-Superpolizisten aus Bangkok, würde ich diese Informationen wahrscheinlich zusammenzählen und sagen: ›Ja, sie ist der gemeinsame Nenner‹«, meinte er. »Und ich würde aufhören zu suchen. Aber als alter, pensionierter Verkehrspolizist ohne Auszeichnung und Dienstorden würde ich wahrscheinlich Folgendes tun …«
    Mit diesen Worten hielt er direkt auf den überwucherten Wald zu, der vor uns lag. Für sein Alter war er richtig fit. Ich kam kaum hinterher. Die Äste, die er beiseitestrich, peitschten mir ins Gesicht, und der Boden war voller Wurzeln und fieser Brennnesseln, die mir in die Knöchel stachen. Ich bezweifelte, dass seit den Dinosauriern irgendein Lebewesen diesen Dschungel betreten hatte. Doch etwa dreißig Meter hinter der Grenzlinie nahmen Opas Vorwärtsbewegung und die Vegetation ein abruptes Ende. Ich rempelte ihn von hinten an. Vor uns lag ein Waldweg, der durch das Unterholz schnitt. So etwas war hier unten nicht ungewöhnlich, denn die Einheimischen bauten landwirtschaftliche Erzeugnisse an, wo sie nur konnten, und schlugen Schneisen durch den Dschungel, um dorthin zu gelangen. Tiefe Spuren von Auto- und Motorradreifen hatten sich in den Boden gegraben. Opa Jah sah nach links und rechts, trat aber nicht auf den Weg hinaus.
    »Gut«, sagte er. »Der Weg ist schmal. Müsste ich, egal, warum, hier mit einem Auto anhalten, würde ich bedenken, dass vielleicht einer der Bauern an mir vorbeimüsste, um Palmen zu pflanzen oder Beeren

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