Der Tote trägt Hut
zu sammeln, also würde ich so nah wie möglich an den Rand fahren. Ungefähr … hier.«
Er deutete auf einen Grasstreifen zehn Meter voraus. Wir arbeiteten uns am Waldrand entlang, achteten darauf, dass wir nicht auf den Weg traten, und blieben an dem von Unkraut überwucherten Flecken stehen.
»Was ist, wenn er mit dem Moped gekommen ist?«, fragte ich.
Er bedachte diese Möglichkeit.
»Dann stehen wir dumm da«, sagte er. »Aber gehen wir erst mal von der Theorie mit dem schwarzen Benz aus, um zu sehen, wie weit sie uns führt. Fertig?«
»Okay. Er parkt hier«, sagte ich. »Er schleicht durch den Dschungel, tötet den Abt, warum auch immer, dann geht er wieder zum … Moment! Guck mal!«
Ich ging in die Hocke, um besser zu sehen. Der Stummel einer Zigarette lag im Gras. Sie hatte einen Filter und war importiert – nichts, was die Einheimischen von Maprao rauchen würden. Opa Jah hockte sich neben mich und fand noch einen Stummel, dann noch einen. Wir rührten sie nicht an.
»Drei Zigarettenstummel«, sagte er. »Also, das ist entweder völlig irrelevant oder absolut bedeutsam. Wenn Letzteres, dann stellt es die Theorie völlig auf den Kopf.«
»Ach ja?«
»Klar. Es bedeutet entweder, unser Mörder war so abgebrüht, dass er meinte, er könnte entspannt die eine oder andere rauchen, entweder vor oder nach dem Mord …«
»… oder er hatte einen Komplizen, der im Auto wartete«, fügte ich hinzu.
»Manchmal, Jimm«, sagte er und lächelte beinah, »denke ich, dass du als Mädchen glatt verschwendet bist.«
Ich hütete meine Zunge. Für ihn mochte es sogar ein Kompliment gewesen sein.
»Das fandest du gut?«, sagte ich. »Wie wär’s hiermit? Du hast einen dicken, fetten Benz auf einem schmalen Waldweg, und irgendwie musst du den Wagen wieder rausbringen. Statt den ganzen Weg bis zur Straße zurückzusetzen, fährst du weiter, bis du eine Stelle findest, an der du wenden kannst, damit du für den Rückweg schon in der richtigen Richtung stehst.«
Diesmal lächelte er wirklich und drückte meine Hand. Ich konnte mich nicht erinnern, dass er mich seit der Grundschule irgendwann mal angefasst hatte.
»Und da«, sagte er zuversichtlich, »finden wir die richtigen Reifenspuren. Schlaues Mädchen.«
Eilig liefen wir am Waldweg entlang. Es gab eine Lücke in den Bäumen, doch der Graben hätte es unmöglich gemacht, dort hineinzufahren. Dann, hinter der nächsten Kurve, waren wir im siebten forensischen Himmel. Sand und ein makelloses M aus Reifenspuren, rein und raus. Kurz vergaß ich mich und hob die Hand, damit Opa Jah mich abklatschte. Er hatte keine Ahnung, was ich da machte, und sah mich nur düster an, bis ich meine Hand sinken ließ.
So weit unser morgendliches Werk. Jetzt saßen wir im menschenleeren Northeastern Seaside Restaurant und warteten auf Lieutenant Chompu. Gegenüber zahlten Touristen dreißig Baht, um Böller zu Ehren des Prinzen von Chumphon, des Vaters der thailändischen Marine und Hobby-Zauberers, zu zünden. Danach kletterte man auf das Deck eines fünfzig Meter langen Betonschlachtschiffs, das zu seinen Ehren errichtet worden war. Pak Nams berühmteste Sehenswürdigkeit, inklusive Betonsoldaten und springenden Delfinen. Was soll man sagen?
Chompu kam zu Fuß. Das überraschte mich. Das Polizeirevier von Pak Nam lag nur sechshundert Meter entfernt, aber Polizisten gingen so gut wie nie zu Fuß. Es machte sie gewöhnlich. Ich gebe zu, ich war gespannt, wie Opa Jah auf den blumigen Polizisten reagieren mochte. Allerdings hatte er kaum Grund, sich zu beklagen. Indirekt hatte er einen Enkel in die Welt gesetzt, der zur Miss Pattaya World 1992 gekrönt worden war, und einen zweiten, der sich rundweg weigerte, eine sexuelle Beziehung einzugehen, sofern sie nicht auf ehrlicher Liebe fußte, und ergo mit zweiunddreißig noch Jungfrau war. Angesichts dieser Tatsache müssten einem Mann doch ernstliche Zweifel an seinem eigenen Genpool kommen.
Zu meiner Überraschung stand Opa Jah auf und salutierte, als Chompu kam. Es wirkte keineswegs sarkastisch. Großmütig erwiderte der Lieutenant den Salut und nahm seine Mütze ab. Wir saßen draußen unter dem hölzernen Vordach, und Opa und Chompu tauschten kurz ihren jeweiligen beruflichen Werdegang aus. Ich nahm die weibliche Rolle ein und bestellte eine Auswahl von laotischen Delikatessen sowie kaltes Bier und Coca-Cola für den Lieutenant. Chompu war ausgesprochen respektvoll, und ich hatte das Gefühl, dass Opa ihn vom ersten Moment an
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