Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
Vom Netzwerk:
Tisch und setzte sie hin. Eine rosa Pfütze leckte durch den Spalt am Boden der Nacht. Irgendwo jenseits der Philippinen ging die Sonne auf, und unser Himmel wühlte eilig die dunklen Farben durch, um etwas Passendes für den neuen Tag zu finden.
    »Mair, was hast du getan?«, fragte ich und sah ihr in die Augen. Sie erwiderte den Blick und setzte eine gänzlich andere Maske auf.
    »Nichts, wofür man sich schämen müsste«, sagte sie. »Außerdem bin ich deine Mutter. Und ich möchte dich daran erinnern, dass ich in dieser Familie die Brötchen verdiene. An dem Tag, an dem du losgehst und dein eigenes Geld verdienst, dann – aber erst dann – hast du das Recht, deine Mutter zu kritisieren. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«
    Sie stand auf und ließ den Tisch hinter sich, schnaufend vor Entrüstung. Sie ging zum Laden, merkte jedoch, dass sie gar nicht dorthin wollte, und bog zu ihrer Hütte ab. Ich sah sie marschieren. Ich kannte diesen Gang und diese Art zu reden nur zu gut. Wie wir alle. Die achtjährige Jimm hatte sie tausend Mal gehört. Jedes Mal wenn Jimm junior sich beklagte, weil sie ihr Zimmer aufräumen oder Hausarbeit erledigen sollte, musste sie sich dieselbe Leier anhören. Mair war in einem gefährlichen Zustand, und ich musste dringend wissen, wo sie am Morgen gewesen war, bevor die Polizei es herausfand.

Kapitel 13
    »Man hat mich missunterschätzt.«
    George W. Bush
    Bentonville, Arkansas, 6. November 2000
    O pa Jah und ich waren mit Lieutenant Chompu im Northeastern Seaside Restaurant mit Blick auf das Schlachtschiff aus Beton verabredet. Arny wollte mit dem Pick-up zum Sport fahren und schmollte dermaßen, dass ich schließlich nachgab. Er wollte mir nicht mal erzählen, wieso er ihn so dringend brauchte, aber er hatte sich fein herausgeputzt: langärmliges Hemd, Jeans mit Bügelfalte, richtige Schuhe. Ich wollte einen Scherz machen, dass er wohl ein Date hatte, und er nahm die Farbe einer reifen Chilischote an.
    Damit bekam ich ein neues Problem. Ich musste das Moped nehmen, hatte aber Opa Jah dabei, und der war von der alten Schule, wenn es um Sexismus ging. Nie im Leben würde er mich fahren lassen. Er versuchte sogar, mich zu zwingen, dass ich im Damensitz saß, weil es femininer war. Diese Auseinandersetzung gewann ich, aber auf dem Moped war Opa Jah die personifizierte Verkehrssicherheit. Wir brauchten eine halbe Stunde, um den Ersatzhelm in den Umzugskisten zu finden, bevor er einwilligte loszufahren. Er fuhr hundertprozentig nach Vorschrift, hyperkorrekt, mit Handzeichen und weitem Bogen beim Abbiegen, da aber alle anderen keine Ahnung hatten, dass es überhaupt Vorschriften gab, machten sie alles falsch, genau wie ihre Vorfahren es eh und je getan hatten. Das machte uns zu den gefährlichsten Leuten auf der Straße. Und Gott bewahre, dass man es vielleicht eilig haben könnte. Er praktizierte etwas, das er als »defensives Fahren« bezeichnete, was mit sich brachte, dass wir mehrmals von Kriegsveteranen auf Dreirädern überholt wurden.
    Erst waren wir zum wat Feuang Fa gefahren, weil ich ihm den Tatort zeigen und ihn mit Abt Kem ins Gespräch bringen wollte. Wir brauchten so lange dorthin, dass ich spürte, wie ich alterte. Ich wünschte, ich hätte ein paar Stickereien mitgebracht, um mir die Fahrt zu vertreiben, doch stattdessen schrie ich die Details des Falles durch seinen dicken Helm. Nur die Fotos in der Kamera sparte ich aus. Ich fürchtete, wenn ich ihm davon erzählte, würde er sich moralisch verpflichtet fühlen, die Information an die Polizei weiterzureichen. Er war schwer zu durchschauen.
    Am Tempel sollten wir enttäuscht werden. Dort fanden wir nur einen jungen Novizen vor, dessen Aufgabe es war, die Hunde zu füttern, und einen Mönch, der so alt aussah, als hätte man ihn bei Ausgrabungen gefunden. Er schien halb blind zu sein, starrte mit trüben, blassblauen Augen vor sich hin und massierte die eine zitternde Hand mit der anderen. Ich gesellte mich im Büro zu ihm. Opa Jah blieb lieber draußen. Es schien ihn nicht zu interessieren.
    »Wir sind gekommen, um Abt Kem zu besuchen«, erklärte ich. Halbwegs erwartete ich schon, dass sein Innenleben ebenso verrostet war wie seine Hülle, doch die Stimme klang erstaunlich jung, und sein Verstand sprudelte nur so.
    »Verschwunden, puff, spurlos«, sagte er. »Hab ihn nicht mehr gesehen, seit sie das Mädchen mitgenommen haben.«
    »Das Mädchen?«
    »Die Nonne. Weiß nicht mehr, wie sie hieß, aber wir hatten

Weitere Kostenlose Bücher