Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)
informiert. Nach Ende des Krieges wurden diese Gemälde offenbar als relativ wertlos angesehen, und da gleichzeitig die Depots buchstäblich aus allen Nähten platzten, hat man die Bilder eben elegant entsorgt. Den Rest kennst du: Sie wurden aus vollen Händen an öffentliche Institutionen entliehen. Frei nach dem Motto: Kunst unter die Leute, eine Massenspeisung anderer Dimension. Weißt du, was ein völlig durchschnittlicher, damals völlig wertloser Mancini heutzutage wert ist? Bis zu 30 Millionen Lire. So. Und Roberto ist im Besitz dreier Gemälde von Mancini«, sagte Livia. »Die auf der Liste stehen. Und behauptet, er habe sie von seinem Großvater geerbt. Was gelogen ist, wenn diese Bilder jahrzehntelang in einem Depot standen.«
»Woher wißt ihr das? Habt ihr ihn etwa gefragt?«
»Bist du verrückt? Natürlich nicht!«
»Und woher weißt du dann, daß Roberto Bilder von Mancini besitzt? Hast du sie bei dem Geburtstagsfest bei ihm an den Wänden hängen sehen? Falls die wirklich geklaut sind, wird er doch nicht so dumm sein und die Bilder in seiner Wohnung zur Schau stellen, wenn halb Neapel zu Besuch kommt.«
Livia grinste spitzbübisch. »Rosaria war es, die auf Roberto gekommen ist, nicht ich.«
Rosaria hatte am Morgen, noch vor der Arbeit, die Liste durchgeschaut, die Corrado ihr gegeben hatte. Ihr waren drei Bilder von Mancini aufgefallen, die sie schon einmal gesehen hatte, da war sie sich ganz sicher. Und sie wußte auch genau, wo. Trotzdem hatte sie zunächst gezögert, denn die Sache war privat und delikat. Sie hatte sich krank gemeldet, war in die Nationalbibliothek gefahren und hatte sich einen Bildband über das Gesamtwerk Mancinis zeigen lassen. Zwei der drei Gemälde waren tatsächlich darin abgebildet. Dann war sie nach Hause gefahren und hatte Corrado und Livia zusammengetrommelt. Und ihnen von ihrem Verdacht erzählt.
»Wieso sollen die Bilder bei Roberto hängen?« hatte Corrado skeptisch gefragt.
»Wieso, weiß ich auch nicht. Aber ich weiß, daß sie dort hängen. Hundertprozentig. Sofern er sie nicht inzwischen abgenommen hat.«
»Und woher weißt du das so genau?«
»Er hat sie mir gezeigt«, hatte Rosaria schlicht erwidert.
»Wann denn das?« Auch Livia war begriffsstutzig.
»Ja, was glaubt ihr denn, woher ich Roberto kenne? Und wie ich an meinen Job gekommen bin?«
Der Groschen war gefallen, man hörte es geradezu doppelt klingeln. Livia war einen Moment lang so verdutzt, daß sie gar nichts sagte. Dann hatte sie grinsend erwidert: »Na, weil du gut bist.«
»Genau das bin ich«, hatte Rosaria gelacht, nur Corrado machte eine finstere Miene.
»Läuft das etwa immer noch?« hatte Livia gefragt, ohne auf die tötenden Blicke zu achten, die Corrado mittlerweile aussandte.
Rosaria schnalzte mit der Zunge. »Natürlich nicht! Seit dem ersten Tag meines Arbeitsantritts war das vorbei. Und überhaupt, Leute, das ist über vier Jahre her, da ist längst Gras drübergewachsen. Und wenn wir jetzt nicht zufällig tiefer gebuddelt hätten als üblich, hätte ich gar nicht mehr daran gedacht«, hatte sie mit besänftigendem Blick hinzugefügt. »Das war in einer anderen Welt.«
»Du hast nie was davon gesagt«, hatte Livia gespielt vorwurfsvoll gesagt.
»Du hast nie danach gefragt«, hatte die Antwort gelautet.
Corrado, der nicht nur die flachsigen Kommentare der Frauen alles andere als witzig fand, war mit hochrotem Kopf wortlos aufgestanden und hatte türenknallend die Wohnung verlassen. Was Rosaria eher gelassen hingenommen hatte. »Verrückt, was? Die Sache mit dem Kunstklau nimmt er gelassener als eine Bettgeschichte seiner Freundin, die über vier Jahre zurück liegt. Verstehe einer die Männer.«
»Lieber nicht«, sagte Livia.
»Und jetzt?« fragte Marlen.
»Funkstille.«
»Nein, ich meine, was passiert jetzt? Was ist, wenn Roberto diese Gemälde ehrlich erworben hat«, wandte Marlen ein.
»Genau den Einwand hatte ich auch«, sagte Livia. »Aber nicht umsonst ist Rosaria Juristin: kein gestohlenes Gemälde ist ehrlich erworben. Außerdem – denk doch mal nach! Ein Bild aus der Liste hängt bei den Cacciapuoti, zwei weitere hängen bei Roberto. Roberto kennt, wie wir nun wissen, Fiorilla und hat vermutlich auch Umberto gekannt. Er ist, was Kunst anbelangt, einer der mächtigsten Leute in ganz Kampanien.«
»Und Jean hat bei sich zu Hause eine gestohlene Statue stehen, die er über Umberto erworben hat«, ergänzte Marlen.
»Moment mal!« Livia krauste die Stirn. »Wo
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