Der Tote vom Kliff
er
antwortete.
»Herr Dr. Laipple war sofort von diesem Platz angetan.
Er hat Zugang zu den Dünen, die normalerweise nicht betreten werden dürfen. Von
hier ist es nur ein kurzer Fußweg zur Aussichtsplattform auf der Uwe-Düne, dem
höchsten Punkt der Insel. Morgens, wenn noch keine Urlauber unterwegs sind,
kann man von dort den Sonnenaufgang genießen. Und auch bei diesigem Wetter
strahlt dieser Punkt eine besondere Atmosphäre aus. Vielleicht war es auch
Sentimentalität. Dr. Laipple liebt das nahe Rote Kliff über alle Maßen. Er ist
hingegen nicht auf die Nähe anderer sicher bedeutender Bewohner Kampens
angewiesen. Und vielleicht ist es auch gut, dass nur Eingeweihte wissen, wer in
diesem sich äußerlich nicht von den Nachbarhäusern unterscheidenden Haus wohnt.
Soll ich Sie jetzt anmelden?« Es schien, als wäre dem Leibwächter an einer
Beendigung des Gesprächs gelegen. Meyerlinck bat die Polizisten, in der Küche
zu warten. Kurz darauf kehrte er zurück und geleitete Lüder und Große Jäger in
den Raum, in dem Dr. Laipple Lüder bereits beim ersten Besuch empfangen hatte.
Der Bankmanager war salopp mit einer hellen Gabardinehose, einem Hemd und einem
weißen Strickpullover bekleidet. Selbst in der Freizeit wirkte es, als hätte
ihm ein Stilberater zur Seite gestanden.
Dr. Laipple maß Große Jäger mit einem Blick, in den er
deutlich alle Geringschätzung dieser Welt legte. Das veranlasste den
Oberkommissar, auf den Manager zuzueilen und ihm die Hand entgegenzustrecken.
Dr. Laipple war über diese Reaktion so erstaunt, dass er reflexartig den
Händedruck erwiderte, dann aber verstohlen seine Hand an der Hosennaht
abwischte. Lüder beließ es bei einem Kopfnicken.
»Darf ich?«, fragte Lüder und zeigte auf einen Stuhl,
während der Oberkommissar schon ungefragt Platz genommen hatte.
»Sind Sie zu einem Ergebnis gekommen?«, fragte Dr.
Laipple ohne jede weitere Einleitung.
»Wir ermitteln noch.«
Der Manager sog geräuschvoll die Luft ein. »Haben Sie
eine Vorstellung davon, wo die Wirtschaft stehen würde, wenn sie nach den
Methoden arbeiten würde, derer Sie sich bedienen?«
»Wir müssen leider häufig Irrwege gehen, weil wir
belogen werden. Da ist es einfacher, wenn man in seinem Beruf aufseiten derer
ist, die lügen, als bei denen, die belogen werden.«
Ein böses Funkeln tauchte in Dr. Laipples Augen auf.
Er erwiderte Lüders Bemerkung aber nicht.
»Außerdem gibt es häufig periphere Schauplätze«,
mischte sich Große Jäger ein. »So müssen wir uns zwischendurch um die
Morddrohung gegen Sie kümmern.«
Lüder war kurz verärgert über diesen Beitrag. Er hätte
die Drohung nicht erwähnt. Dr. Laipple sprang darauf an. »Können Sie das
spezifizieren?«
Große Jäger berichtete von dem, was ihnen der
Leibwächter gezeigt hatte.
»Das sind Lappalien«, winkte der Manager ab. »So etwas
kommt oft vor.« Trotzdem wirkte er plötzlich eine Spur nervöser. Lüder bemerkte
es an den gepflegt manikürten Fingern des Bankers, die der jetzt knetete. »Wir
haben hinreichend Sicherungsmaßnahmen installiert, um solchen Dingen begegnen
zu können.«
»Haben Sie Lew Gruenzweig erklärt, wie das
Überwachungssystem ausgeschaltet wird?«, fragte Lüder. Und als Dr. Laipple ihn
mit hochgezogener Augenbraue fragend ansah, ergänzte er: »Der Besucher
Gruenzweigs, der Mörder, ist nicht erfasst worden.«
»Ich beschäftige mich nicht mit diesen technischen
Fragen. Dafür habe ich meine Mitarbeiter. Ich könnte Ihnen nicht sagen, wie man
das System bedient.«
»Woher hat Gruenzweig dann seine Informationen?«,
fragte Lüder.
»Das kann ich nicht beantworten.«
»Kannte Katja von Mühl die Funktionsweise der
Sicherungsanlage?«, fragte Lüder.
Jetzt schien Dr. Laipple überrascht. »Wie kommen Sie
auf diesen Namen?«
»Wir sind die Polizei«, schob Große Jäger dazwischen.
Dann zog der Oberkommissar mit dem rechten Zeigefinger das Augenlid ein Stück
hinab. »Mag ja sein, dass man in Frankfurt glaubt, hier wohnen nur Doofe. Ist
nicht so. Also? Kannte die Dame das System?«
»Frau von Mühl war nur als Gast hier. Es entspricht
nicht den Gepflogenheiten, meine Besucher mit der Haustechnik vertraut zu
machen.«
»Aber Lew Gruenzweig haben Sie das System erklärt?«,
fragte Große Jäger.
Dr. Laipples Stimme war eine Spur lauter geworden. Man
merkte ihm an, dass er ungehalten war. »Ich habe Ihnen schon erklärt, dass ich
mit Lew nicht über die technischen Einrichtungen gesprochen habe.
Weitere Kostenlose Bücher