Der Tote vom Kliff
ja wirklich luxuriös«, meinte Große Jäger und
warf noch einmal einen Blick auf die beeindruckende Anlage. »Und jetzt
versuchen wir, das zu steigern, und besuchen den Bankmenschen.«
»Dr. Laipple wird sich freuen«, erwiderte Lüder und
wartete vor dem BMW , bis der
Oberkommissar die unvermeidliche Zigarette, die er sich gleich nach dem
Verlassen des Hotels angezündet hatte, aufgeraucht hatte.
Westerland war trotz der Bekanntheit eine Kleinstadt.
Das zeigte sich auch am hohen Verkaufsaufkommen. Es schien, als gäbe es genug
Leute, die ihr Vergnügen daran fanden, langsam mit ihrem Fahrzeug zu
promenieren und dabei das neue Cabrio oder das vom vorigen Jahr, aber mit neuer
Frau auf dem Beifahrersitz, zu präsentieren.
Große Jäger schien einen ähnlichen Gedanken gehabt zu
haben. »Wenn man eine allgemeine Verkehrskontrolle durchführen würde«, sagte
er, »würde man in vielen Kofferräumen entweder Champagnerkisten oder die
Mahnbriefe für die nicht ausgeglichenen Leasingraten der Fahrzeuge finden.«
»Soll das heißen, jeder, der Champagner spazieren
fährt, ist ein potenzieller Mörder?«
»Das wäre ein interessanter Lösungsansatz. Vielleicht
nimmt sich einmal ein Krimiautor dieses Themas an.«
Sie hatten Westerland hinter sich gelassen, mussten
noch einen kleinen Stau in Wenningstedt passieren und erreichten kurz darauf
das Anwesen des Bankmanagers.
Sie klingelten, und Lüder gewahrte, wie sich die
hinter einer Halbkugel verborgene Kamera bewegte.
»Ich öffne«, meldete sich die vertraute Stimme des
Leibwächters. Diesmal unterblieb die Aufforderung, dass nur einem Beamten
Zutritt zum Haus gewährt würde.
Der Bodyguard nickte Lüder freundlich zu, wiederholte
den Gruß in Große Jägers Richtung und schloss hinter den beiden Beamten
sorgfältig die Tür. Lüder sah den Mann erstaunt an, als der Sicherheitsmann die
beiden Schlösser bediente und den Sperrriegel von innen vorlegte.
»Sie müssen keine Angst haben«, sagte der
Oberkommissar und klappte seine Lederweste zur Seite, sodass das
Schulterhalfter mit der Dienstwaffe sichtbar wurde. »Wie heißen Sie
eigentlich?«
»Gregor Meyerlinck«, erwiderte der Leibwächter. »Ich
habe es neulich schon dem anderen Herrn«, dabei wies er auf Lüder, »erklärt,
dass Herr Dr. Laipple eine der gefährdetsten Persönlichkeiten Deutschlands ist.
Aber das ist es nicht allein.« Er bat die Beamten, ihm zu folgen, und führte
sie in die Küche. Dort saß die Hausdame, die eilfertig ihre Zigarette in einem
Aschenbecher ausdrückte und den Inhalt des Gefäßes im Mülleimer entsorgte.
»Frau Gabriele Merckel«, stellte Meyerlinck die Frau
vor und bot den beiden Polizisten Platz an.
Lüder sah sich um. Der Raum hatte die Größe einer
Wohnung, wie sie oft genug einer Kleinfamilie zum Leben reichen musste. Weißes
Echtholz mit blau abgesetzten Paneelen verliehen dem Raum einen friesisch
anmutenden Charakter. Geschickt waren die Haushaltsgeräte verborgen, und nur
anhand der Armaturen konnte man erahnen, dass sich dahinter modernste Technik
verbarg. Der große Tisch in der Mitte des Raumes, der neben dem umgehbaren
Küchenblock den zweiten Gliederungspunkt darstellte, erinnerte Lüder an frühere
Zeiten, als das Gesinde in der Küche seinen Platz fand.
Meyerlinck öffnete eine Schublade und holte ein Stück
Papier hervor. Er sah Große Jäger an, entschloss sich dann aber, es vor Lüder
auf den Tisch zu legen. Die beiden Beamten hatten wahrgenommen, dass der
Leibwächter das Papier mit spitzen Fingern am äußersten Zipfel angefasst hatte.
Der Oberkommissar beugte sich zu Lüder hinüber und las
mit:
Das Kommando »Schulze-Delitzsch« hat alle
habgierigen Volksfeinde zum Tode verurteilt, wie die Heuschrecken am ideellen
und tatsächlichen Tod der Arbeiter schuld sind. Kinder müssen hungern, ihnen
wird Bildung verwehrt, nur weil eine Handvoll Maßloser ausbeutet und für das
Elend des Präkariats verantwortlich ist, in das sie die Menschen verbannen. So
wie Moses die Heuschrecken vernichtet hat, werden wir euch zerquetschen.
Moses
»Woher haben Sie das?«, fragte Große Jäger. »Das ist
ja ein grauenhaftes Deutsch.«
»Das hat jemand in unseren Briefkasten geworfen. Ich
fand es, als wir hier eintrafen«, erklärte Meyerlinck.
»Das bedeutet, diese Drohung könnte schon im
Postkasten gelegen haben, als Lew Gruenzweig hier als Gast einzog.«
Der Leibwächter nickte. »Drohungen dieser Art kommen
häufig vor. Wir nehmen das nicht ernst. Auch diese
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