Der Tote vom Kliff

nutzte
Große Jäger, um den Bankmanager zu fragen: »Wie kommt es, dass Gruenzweig ohne
Personenschutz unterwegs war? Es handelt sich doch um eine ebenfalls gefährdete
Person. Wenn der Mann Kriminellen in die Hände gefallen wäre, hätte das eine
Erpressung gegeben, die in dieser Dimension noch nie vorgekommen ist.«
    »Das kann ich nicht beantworten. Normalerweise hat
sich Mr. Gruenzweig nie ohne Bodyguards bewegt. Er war immer abgeschirmt.«
    »Wer wusste, dass sich Gruenzweig …«
    »Mister! Mr. Gruenzweig!«, unterbrach der Bankmanager
den Oberkommissar scharf.
    »Wer wusste, dass er Gast bei Ihnen war?«
    »Ich. Und wenige Eingeweihte meines Personals. Die
sind aber alle vollkommen integer. Die Maschine, die Mr. Gruenzweig von
Frankfurt nach Westerland gebracht hat, war von meinem Büro gebucht worden.
Üblicherweise wird der Name des Fluggastes dabei nicht angegeben.«
    Große Jäger hob den Zeigefinger und bewegte ihn hin
und her. »Das trifft nicht vollends zu. Eine undichte Stelle muss es gegeben
haben. Die Art der Tatausführung lässt nicht auf einen Zufallsmord schließen.«
    Es schien, als würde Dr. Laipple blass werden. Das war
auch dem Oberkommissar nicht entgangen.
    »Und wenn der Mord nicht Lew Gruenzweig, sondern Ihnen
galt und der Täter erst bei der Ausführung bemerkte, wem er gegenüberstand und
dann aus der Situation beschloss, Gruenzweig umzubringen?«
    Dr. Laipple schluckte, und die beiden Polizisten
sahen, wie sich der Adamsapfel des Managers heftig bewegte. »Das sind
unhaltbare Spekulationen«, wiegelte er ab.
    Lüder wollte seinen Gedanken um das merkwürdige
Kommando »Schulze-Deltizsch« weiterverfolgen.
    »Seit der globalen Finanzkrise sind Finanzmanager
nicht wohlgelitten«, sagte er. »Darin könnte doch ein Motiv für einen in seinem
Zorn überzogen reagierenden Menschen liegen?«
    »Neid und Hass begegnen Ihnen überall.« Dr. Laipple
schien sich wieder gefasst zu haben. »Die ganze Welt hat das deutsche Bankwesen
wegen seiner Stabilität bewundert.«
    »Lew Gruenzweig war Amerikaner«, gab Lüder zu
bedenken. »Seine Methode war es, gesunde Unternehmen auszuschlachten und
Konstellationen zu entwickeln, dass sich die aufgekauften Betriebe selbst
bezahlen mussten. Großbanken lassen milliardenschwere Spekulationsverluste
durch ihre Kleinkunden oder den Steuerzahler ausgleichen. Denken Sie an die
Milliarden für die IKB . Für das
Geld hätte man viele Kindergärten und Bildungseinrichtungen finanzieren
können.«
    »Das ist populistisches Geschwätz«, tat es Dr. Laipple
unwirsch ab. »Auf diesem Niveau sollten wir nicht miteinander sprechen. Auf den
Zug der Gier, den man den Banken oft vorwirft, springen viele Kleinanleger und
Spekulanten auf. Das ist die treibende Kraft.«
    »Sie spielen aber bereitwillig mit und profitieren von
diesem System. Nach dem großen Zusammenbruch sind Sie übervorsichtig geworden
und erschweren dem Mittelstand die Kreditbedingungen für die Finanzierung von
Innovationen.«
    »Manchmal verzocken Sie sich auch. Haben Sie
eigentlich eine Konzession als Spielkasino?«, warf Große Jäger ein.
    »Mit vernunftbegabtem Handeln hat das nichts zu tun,
was rund um den Globus getrieben wurde.«
    Der Bankmanager streckte sich. »Ich glaube, Sie führen
mit mir ein Gespräch, das sich von dem verwerflichen Mord in meinem Hause
entfernt.«
    »Um was ging es bei Ihrem Gespräch mit Lew
Gruenzweig?«, wechselte Lüder die Fragestellung.
    »Um nichts Konkretes.«
    »Ein Gespräch unter Männern? Es ist für unsere
Ermittlungen von Bedeutung, ob es um die Übernahme von Hundegger-Industries und
dem Stahlwerk geht. Sie haben von dem Selbstmord eines Betriebsrats gehört, den
die Polizei als wichtigen Zeugen in dieser Sache befragen wollte.« Lüder
vermied es, von einem Verdächtigen zu sprechen.
    Dr. Laipple nickte unmerklich, als wolle er zustimmen.
Dann gab er sich einen Ruck. »Einer meiner Vorgänger hat im übertragenen Sinne
gesagt, solche Geschäfte wären Peanuts. Dem kann ich mich nur anschließen. Sie
unterliegen falschen Vorstellungen, wenn Sie davon ausgehen, dass ich mich mit
solchen Fragen beschäftige. Meine Zeit und Kraft widme ich globalen Strategien.
Da geht es um andere Werte.«
    »Ach ja, aber der Überziehungsrahmen auf dem Girokonto
eines kleinen Landesbeamten ist dann doch Chefsache?«
    »Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht.«
    »Ich verdanke es doch Ihrer Intervention, dass die mir
zugebilligte Überziehung meines laufenden Kontos