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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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mindestens ein Vierteljahrhundert älter.
    Jule zeigt ihren brandneuen Dienstausweis. »Kripo Hannover. Ich
möchte mit Elise Wenzel sprechen.«
    Â»Worum geht es?«
    Â»Darf ich fragen, wer Sie sind?«, fragt Jule zurück.
    Â»Gertrud Wenzel. Ich bin die Mutter«, versetzt diese hoheitsvoll und
weicht keinen Schritt zur Seite.
    Hinter dem mütterlichen Bollwerk erscheint die Gesuchte.
    Â»Die Polizei will dich sprechen.« Frau Wenzel sieht ihre Tochter
dabei kalt an. Denkt sie, ihre Tochter hätte etwas verbrochen? Oder empfindet
sie es grundsätzlich als Zumutung, dass ihre Tochter von der Polizei besucht
wird? Jule schleust sich an der Mutter vorbei.
    Â»Elise Wenzel? Ich bin Kommissarin Wedekin, ich hätte ein paar
Fragen an Sie.«
    Â»Kommen Sie mit.« Elise Wenzel führt Jule in die Küche. Auf dem Weg
dorthin erhascht Jule einen Blick in die gute Stube: Eichenschrankwand, ein
Poster mit einem weinenden Pierrot über dem Sofa, das Fenster zum Balkon mit
Grünpflanzen verbarrikadiert, und über dem Fernseher das Foto eines Mannes im
Pastorengewand.
    Â»Es ist alles in Ordnung, Mama«, sagt die junge Frau, ehe sie die
Küchentür mit Nachdruck schließt.
    Woher will sie das wissen, fragt sich Jule und würde gerne mit
jemandem um einen Eiskaffee wetten, dass die Mutter im Flur steht und lauscht.
    Â»Möchten Sie ein Wasser? Oder Tee?«
    Jule lehnt ab.
    Elise Wenzel füllt dennoch Wasser in einen Elektrokocher.
    Sie hat nicht viel Ähnlichkeit mit ihrer Mutter, ihr Haar ist
nussbraun und lockig, das Gesicht schmal, mit weichen Konturen und tief
liegenden, scheu blickenden Augen. Nur die lange, gerade Nase und die markant
geschwungene Oberlippe deuten auf familiäre Bande. Ihre Figur will nicht so
recht zum filigranen Gesicht passen, sie hat breite Schultern und die Jeans
spannt sich über zwei kräftigen Oberschenkeln. Ihre Hände sind schwielig, die
Unterarme zerkratzt, wie man es oft bei Katzenbesitzern sieht. Jules Blick
fällt auf eine Pinnwand mit Notizen und Fotos. Tiere sind zu sehen: Seehunde,
Pinguine, Elefanten. Auf einigen Bildern meint Jule, Frau Wenzel zwischen den
Tieren zu erkennen.
    Die hat Jules Blick bemerkt: »Das bin ich. Ich bin Tierpflegerin im
Zoo Hannover«, erklärt sie und nennt Jule Namen und Alter der einzelnen Tiere
auf den Fotos. Sie spricht von ihnen wie andere Leute über ihre Kinder, denkt
Jule.
    Â»Wenn Sie mal zur Seehundfütterung kommen, dann sehen Sie mich da«,
sagt sie stolz. Offenbar liebt sie ihren Beruf.
    Â»Frau Wenzel, Sie waren am Montag zusammen mit Irene Dilling und
Astrid Jödden beim Vortrag von Dr. Offermann im Marriott, stimmt das?« Um dem
Drachen vor der Tür das Leben schwer zu machen, bringt Jule ihre Frage mit sehr
leiser Stimme vor.
    Die Gefragte nickt und antwortet ebenfalls leise: »Wie haben Sie
mich gefunden? Hat Frau Dilling Ihnen meinen Namen genannt?«
    Â»Nein«, sagt Jule nur und erkundigt sich nach dem Streit und nach
den relevanten Uhrzeiten. Frau Wenzels Angaben stimmen mit denen von Irene
Dilling überein. Elise Wenzel ist zu Fuß zum Marriott gegangen – »Das sind ja
nur zwanzig Minuten.« – Nach dem Vortrag wurde sie von Irene Dilling nach Hause
gefahren. – »Weil es schon dunkel war. Um halb elf war ich wieder hier.«
    Frau Wenzel streicht sich eine dunkle Locke aus der Stirn, die
sogleich wieder ins Gesicht fällt.
    Â»Hat Dr. Offermann irgendetwas gesagt, was Frau Dilling besonders
wütend gemacht hat?«
    Â»Keine Ahnung. Wir haben das hinterher nicht diskutiert. Mir war
dieser Ausbruch vor allen Leuten peinlich, und ich glaube, Astrid auch.«
    Â»Wie hat Ihnen denn der Vortrag gefallen?«
    Â»Interessant«, kommt es ein wenig zögerlich. »Ich finde, er hätte
nicht so ins Detail gehen müssen. Aber ich denke, das muss man aushalten, wenn
man da hingeht.«
    Â»Frau Dilling war da offenbar anderer Meinung.«
    Â»Ich verstehe das auch nicht. Dabei hat sie ja sogar noch in der
Gruppe darauf hingewiesen. ›Den müsst ihr euch mal anhören‹, hat sie gesagt.«
    Â»Vielleicht hat sie das zynisch gemeint?«
    Â»Kann sein. Es ist eine Art Dauerzustand, dass sie wütend auf ihn
ist. Aber ignorieren kann sie ihn wohl auch nicht. Wenn er hier in der Gegend
spricht, geht sie immer hin.« Elise Wenzel lächelt unsicher und knetet ihre
Hände mit den sehr kurzen

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