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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Fingernägeln. »Es ist wohl so eine Art Hassliebe.«
Das Teewasser kocht, sie steht auf.
    Ihre letzten Worte klingen in Jules Gedanken nach. Irgendwo hat sie
mal gehört, dass sich Patientinnen angeblich nahezu zwangsläufig in ihren
Psychiater verlieben würden. Sie wagt einen Schuss ins Blaue: »Frau Dilling war
bei Dr. Offermann in Behandlung, nicht wahr?«
    Schweigen.
    Â»Das stimmt doch?«, hakt Jule nach.
    Â»Ich habe das auch nur gerüchteweise gehört«, gibt Elise Wenzel zu,
während sie eine Kanne mit kochendem Wasser füllt.
    Â»Wann war sie bei ihm in Therapie, wissen Sie das?«
    Â»Nein. Das müssen Sie sie schon selbst fragen.«
    Â»Wie lange kennen Sie Frau Dilling schon?«
    Â»Eigentlich kenne ich sie kaum«, murmelt Elise Wenzel. »Ich gehe
erst seit einem halben Jahr zu Pro victim , und das
auch nicht regelmäßig.«
    Â»Darf ich Sie fragen, warum?«
    Elise Wenzel pendelt mit dem Teesieb in der Kanne. Ihr Gesicht wird
zu Stein. »Das ist ja wohl meine Sache«, antwortet sie schroff.
    Jule bedankt sich für das Gespräch und steht auf.
    Ist doch gut gelaufen, ihr erstes Verhör, findet sie, als sie zurück
in Richtung See läuft, wo sie vor angenehmer Kulisse auf Odas Anruf wartet.
    Astrid Jödden bläst den Rauch ihrer Marlboro Light gegen
die braun-orange gestreifte Markise.
    Oda zieht an ihrem Zigarillo, während ihr Blick über den gemähten,
sattgrünen Rasen wandert, hin zu dem kleinen Jungen, der ein selbst gebautes
Segelboot auf dem Gartenteich zu Wasser lässt. Vor einem hölzernen
Sichtschutzzaun am anderen Ende des Gartens sitzen zwei rosa gekleidete Mädchen
in einem weißen Strandkorb. Sie blättern in einer Zeitschrift und brechen in
unregelmäßigen Abständen in lautes Gewieher aus. Unter einem Sonnenschirm steht
ein Kinderwagen, in dem ein Baby schläft. Noch.
    Â»Mama, es kippt immer um«, brüllt der Junge wütend.
    Â»Ich sehe es mir nachher an, mein Schatz.«
    Â»Um noch einmal auf Frau Dilling zurückzukommen …«
    Â»Die Ärmste. Ich meine, es kann einem alles Mögliche zustoßen, aber
wenn ich mir vorstelle, dass eines meiner Kinder …« Frau Jödden schüttelt stumm
den Kopf mit den kurzen blonden Haaren und schlägt demütig die Augen nieder.
»Und dann diese ständige Ungewissheit«, fährt sie fort. »Das Grauen hat einfach
kein Ende. Auch wenn es brutal klingt, aber es wäre hilfreich, wenn man endlich
Karolines Leiche finden würde. Ich meine, man weiß ja nicht mal, was passiert
ist. Sie kann auch beim Spielen in den Kanal gefallen sein – manche Leichen
findet man ja nie. Oder sie kann in einer der Mergelgruben verschüttet worden
sein. Die sind doch der schönste Abenteuerspielplatz, ich war als Kind selber
oft genug dort, wir haben in Anderten gewohnt. Natürlich hatte man es uns
streng verboten, aber wir sind einfach unter den Zäunen durch. In so einer
Umgebung kann ein Kind auch verschwinden, ohne dass ein Verbrechen geschehen
sein muss.«
    Â»Mama! Komm mal!«
    Â»Gleich, Thaddäus!«
    Frau Jödden entschuldigt sich bei Oda mit einem matten Lächeln und
zieht den Rauch der Zigarette tief in ihren ausgemergelten Körper, der trotz
seiner Magerkeit plump wirkt.
    Â»Es ist sicher ganz schön anstrengend mit vieren«, meint Oda.
    Â»Drei. Das eine Mädchen ist nur die Freundin von unserer Laura. Aber
sie gehört schon fast zur Familie.«
    Oda lächelt und bemüht sich um einen teilnahmsvollen Blick.
    Â»Anstrengend sind sie, ja«, seufzt Frau Jödden. »Aber sie geben
einem natürlich auch viel zurück.«
    Â»Gewiss«, sagt Oda und rutscht an die vordere Kante des
Plastik-Gartenstuhls: »Frau Jödden, wissen Sie noch, wie spät es war, als Frau
Dilling Sie am Montag hier abgesetzt hat?«
    Die Frau sieht Oda an, als hätte sie sie aus einem Traum geweckt.
Einem Albtraum, vermutet Oda.
    Â»Montag …«
    Â»Nach Dr. Offermanns Vortrag.«
    Â»Ja. Also, wir hatten ja … vielmehr, Irene hatte diesen kleinen
Disput mit Offermann, nach dem Vortrag am Büchertisch. Und danach sind wir
gegangen, ich denke, das war Viertel nach zehn. Ja, und wie lang man halt dann
bis hierher in den Roderbruch braucht. Vorher haben wir noch eine andere Frau
in der Südstadt abgesetzt. Zwanzig Minuten? Vielleicht weniger.«
    Â»MAMA! Die

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