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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Platz ist.«
    Â»Ach, du Schande.«
    Â»Das kannst du laut sagen.«
    Auf dem Parkplatz rollt eine riesige Staubfontäne auf sie zu,
mittendrin Fernando wie ein apokalyptischer Reiter. Er bremst, sodass es noch
viel mehr staubt, und steigt von seiner Maschine.
    Â» Merde! Du Schwein. Schau mal, wie wir
jetzt aussehen!« Oda klopft wütend den Dreck von ihrer schwarzen Kleidung.
    Fernando reißt sich den Helm vom Kopf. »Morgen, die Damen. Wo geht’s
lang?«
    Â»Das wüssten wir auch gerne.«
    Fernando telefoniert mit Völxen und sagt dann: »Wir müssen über den
Kanal, zur HPC I, was immer das ist.«
    Â»Hannoversche-Portland-Cement-Grube eins«, erklärt Jule, und Oda ist
froh, dass ihre Kollegin ein anderes Opfer für ihren Informationsdrang gefunden
hat. Immer dasselbe mit den Neuen. Kaum geht es ans Eingemachte, schlottern
ihnen die Knie, was sie je nach Charakter mit Schweigsamkeit oder nervösem
Gequassel kompensieren.
    Je näher sie dem Tatort kommen, desto stiller wird Jule. Treppen
führen zu einer Brücke über den Stichkanal. Dahinter steht ein Polizist vor
einem Absperrband. Sie zeigen ihm ihre Ausweise.
    Â»Wahnsinn«, meint Fernando wenig später.
    Oda setzt ihre Sonnenbrille auf.
    Eine fremdartige Sphäre erstreckt sich vor ihnen, als wären sie
binnen Sekunden auf einen fahlen Planeten gebeamt worden. Die dreißig Hektar
große Grube fällt in mehreren Stufen etwa vierzig Meter tief ab. Treppen und
befestigte Wege durchziehen das Gelände. Inzwischen hat sich die Natur das
einst verlorene Terrain zurückerobert, Gräser und Blumen zittern im Wind,
kleine Tümpel funkeln wie Juwelen in der Tiefe. Auf der anderen Seite der Grube
schwebt eine Aussichtskanzel über dem Rand. Es ist still, bis auf das Rauschen
des Autobahnkreuzes Hannover-Ost.
    Auf einer Ebene am Rand zur ersten Stufe hat sich eine kleine
Menschenansammlung gebildet: Polizisten in Uniform, drei ältere Männer und zwei
Frauen, Zeugen oder Schaulustige. Sie alle wirken klein und verloren auf diesem
blassen Stern unter einem Himmel in Meißner Blau.
    Hinter dem Flatterband der Spurensicherung steht Dr. Bächle, reglos,
schweigend, die Hände auf dem Rücken gefaltet. Er scheint noch auf seinen
Einsatz zu warten. Einige Meter neben ihm spricht Hauptkommissar Völxen mit
einem Mann.
    Die weißen Anzüge der Kriminaltechniker heben sich kaum vom
Untergrund ab, und ihre Schritte versanden ungehört. In einer Art lautlosem
Tanz huschen sie mit ihren Kameras um einen kontrastvollen Mittelpunkt.
    Die Frau liegt auf dem Rücken. Ihre Jeans und das rosa T-Shirt
sind mit Kalkmergel bepulvert, blau geäderte Arme ragen aus den Ärmeln hervor.
Auf der Brust zeichnet sich ein angetrockneter Blutfleck von der Größe eines
Handtellers ab. Ihr Mund steht offen – ein klaffender dunkler Abgrund in dieser
bleichen Welt. Eine schwarze, blutige Kruste um die Lippen lässt ahnen, dass
auch ihr die Zunge herausgeschnitten wurde. Die Sonne sticht auf sie herab, und
obwohl sie von Menschen umringt ist, wirkt sie grenzenlos einsam.
    Â»Herr Pfeiffer …«
    Â»Pfeuffer. Mit U – Roland Pfeuffer.«
    Â»Herr Pfeuffer«, wiederholt Völxen gewissenhaft, »wann genau haben
Sie die Leiche gefunden?«
    Â»Heute früh um neun Uhr.« Der Herr mit den kurzen Hosen und dem
grauen Haarkranz um die gebräunte Glatze tippt zur Verdeutlichung auf seine
Armbanduhr. Er trägt ein gelbes Polohemd und kurze Hosen zu weißen Tennissocken
und Mephisto-Schuhen.
    Â»Aber der Notruf ging erst um 9.24 Uhr bei der Leitstelle
ein«, hält ihm der Kommissar entgegen.
    Â»Ich musste doch erst nach Hause radeln. Ich wohne in Misburg-Nord,
im Bussardweg. Ich bin gefahren wie der Teufel. Wissen Sie, so ein Handy wollte
ich nie haben. Was hätte ich denn sonst machen sollen?«
    Â»Das war schon richtig«, beruhigt Völxen den Mann, dessen knorziges
Gesicht sich vor Aufregung rötet. »War zu diesem Zeitpunkt sonst noch jemand
hier?«
    Â»Nein. Kein Mensch war hier, ich war ganz allein. Ich und die Tote.
Das war unheimlich, das kann ich Ihnen sagen.«
    Â»Darf ich fragen, was Sie hier gemacht haben?«
    Â»Ich beobachte Vögel und sammle Mineralien und Versteinerungen. Bis
vor drei Jahren habe ich am Kurt-Schwitters-Gymnasium Geographie und Biologie
unterrichtet. Dieser Boden, auf dem wir hier stehen, müssen Sie

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