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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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wissen, ist
über sechzig Millionen Jahre alt. Es war einst ein Meeresboden, weshalb man
hier massenhaft Schwämme, platte Seeigel und Belemniten findet.«
    Â»Was sind denn Belemniten?«, fragt Völxen und bereut es sofort.
    Â»Belemniten oder auch Belemnoidea sind ausgestorbene Kopffüßer,
vergleichbar mit den heutigen Kalmaren. Sie lebten in großen Schwärmen im
Küstenbereich der Meere. Am Kopf waren sie mit zehn Fangarmen und einem
Tintenbeutel ausgerüstet, der hintere Körperteil wurde durch ein
trichterförmiges Innenskelett, das geschossförmige Rostrum, geschützt. Es
diente gleichzeitig als Gegengewicht zum relativ schweren Vorderteil und
ermöglichte den Tieren eine horizontale Schwimmlage. Dieses Rostrum ist uns als
Fossil erhalten geblieben. Früher verwendete man sie häufig als Amulette, und
man nennt sie wegen ihrer Geschossform auch Donnerkeil oder Teufelsfinger.«
    Â»Aha«, sagt Völxen.
    Pfeuffer nimmt das als Ausdruck seines Interesses. Für einen Moment
vergisst er die Leiche und erklärt mit leuchtenden Augen: »Die HPC I ist
die größte und älteste Portland-Grube. Hundert Jahre alt, aber seit vierzig
Jahren stillgelegt. Es gibt hier viele vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten,
sogar Orchideen und Pflanzen, die sonst nur an der Küste vorkommen. Je weiter
man nämlich nach unten kommt, desto salziger wird der Mergel. Zwei
Armleuchteralgenarten, die in Niedersachsen seit 1897
als verschollen galten, wurden hier neuentdeckt.«
    Armleuchteralgen? »Vorsicht, Herr
Pfeuffer.« Völxen durchbohrt den kleinen Studienrat mit einem zornigen Blick.
    Â»Die heißen wirklich so«, versichert dieser beflissen. »Herr
Kommissar, was denken Sie? Ich würde doch keinen Beamten veräppeln, der hier in
einem Mordfall ermittelt.«
    Â»Dann ist es ja gut«, meint Völxen. Anscheinend hat der Mann doch
noch Respekt vor der Polizei, wie sich das für Leute seiner Generation auch
gehört.
    Â»Herr Pfeuffer, kennen Sie die tote Frau?«
    Er nickt. »Ja, vom Sehen. Sie ist oft hier herumgelaufen. Meistens
abends, aber am Wochenende auch schon mal frühmorgens. Ich bin nämlich für
gewöhnlich schon bei Sonnenaufgang hier unterwegs, da sieht man die meisten
Vögel. Wussten Sie, dass es hier sogar einen Eisvogel gibt?«
    Â»Nein. Wann sind Sie denn heute Morgen hier angekommen?«
    Â»Heute eben erst um neun. Meine Frau hat Geburtstag, da habe ich
Brötchen geholt und mit ihr gefrühstückt, sie wäre sonst beleidigt gewesen.
Deshalb bin ich später dran gewesen als sonst.«
    Â»Sie kamen über die kleine Brücke da hinten?«
    Â»Ja, genau. Ich bin über die Anderter Straße gefahren, danach am
Kanal entlang und über die Brücke hierher. Das Fahrrad habe ich bei der Brücke
abgestellt. Ich bin ein paar Schritte gegangen, und dann sah ich sie auch schon
da liegen. Aber angefasst habe ich sie nicht. Dass sie tot war, war ja
offensichtlich.«
    Â»Wieso?«
    Â»Aufgrund des Blutflecks und der mehreren Exemplare der Protophormia
terraenovae«, erklärt der Studienrat.
    Â»Der was?«
    Â»Der blaugrünen Schmeißfliege.«
    Â»Verstehe. Ist Ihnen unterwegs jemand begegnet?«, will Völxen
wissen.
    Â»Als ich auf dem Hinweg am Kanal entlanggefahren bin, ist mir eine
Frau entgegengekommen, zu Fuß. Ich dachte noch, die hat es aber eilig.«
    Â»Können Sie die beschreiben?«
    Â»Lange dunkle Hose, helle Jacke.«
    Â»Haarfarbe?«
    Â»Das konnte ich nicht sehen. Sie hatte ein Kopftuch auf.«
    Â»Eine Türkin?«
    Â»Nein, ein Tuch, wie es die Frauen früher oft trugen. Ein dunkel
gemustertes Tuch. Das ist mir aufgefallen, weil ich dachte: Wer trägt denn
heute noch so was? Und bei dem schönen Wetter noch dazu?«
    Die alten Frauen bei uns im Dorf, wenn sie ihre Blumenkohlfrisuren
vor Staub und Regen schützen wollen, denkt Völxen bei sich und fragt: »Konnten
Sie ihr Gesicht sehen?«
    Â»Nein. Ich habe jedenfalls nicht darauf geachtet. Meinen Sie, dass
das …?«
    Â»Wie alt schätzen Sie die Frau?«
    Â»Unmöglich zu sagen. Eher älter, ihrem Gang nach zu urteilen. Eine
Sportlerin war das nicht. Sie lief wie jemand, der es eilig hat, aber nicht
gewohnt ist zu rennen.«
    Â»Wie groß war sie?«
    Â»Normal.«
    Â»Hatte sie etwas bei sich? Eine Tasche vielleicht?«
    Â»Ja, stimmt, Herr

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