Der Tote vom Maschsee
jetzt ist sie tot.«
Oda verdreht heimlich die Augen. Diesem spanischen Gockel ist
wirklich jedes Mittel recht.
Völxen fragt: »Können Sie uns sagen, wann Irene Dilling bei Dr.
Offermann in Behandlung war und weshalb?«
»Nein, kann ich nicht. Das ist schon Jahre her, ich wusste nichts
davon. Das habe ich bereits Ihrem Kollegen gesagt.«
»Das war es schon, Frau Dr. Fender.« Völxen strebt zur Tür, Oda im
Windschatten.
Liliane Fender folgt den beiden. »Wollen Sie nicht wissen, wo ich
heute Morgen um die besagte Uhrzeit war?«
»Doch«, gesteht Völxen und grinst verschmitzt. »Ich wollte die Frage
beiläufig in der Tür stellen, wie Columbo.«
»Ich war hier, ich habe ausgeschlafen«, sagt Liliane Fender und
quittiert Völxens Bemerkung mit einem schwachen Lächeln.
»Das dachte ich mir schon«, lächelt Völxen zurück. »Wann, sagten
Sie, ist die Beerdigung?«
»Am Montagnachmittag ist die Trauerfeier. Er wird eingeäschert«,
erklärt Dr. Fender. »Er sagte immer, dies sei die einzig zivilisierte Art, mit
einer Leiche zu verfahren.«
»So charmant hat man dich ja schon lange nicht mehr
erlebt«, spöttelt Oda.
»Ich begegne ja auch selten charmanten Frauen«, entgegnet Völxen,
schon wieder ganz der Alte.
»Vergiss nicht, dass sie momentan unsere Hauptverdächtige ist.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen!«
Oda seufzt. Kann es sein, dass diese Person Völxen um den Finger
gewickelt hat? Den abgebrühten alten Fuchs?
»Andererseits â was kann sie dafür, dass wir noch immer keinen
anderen Tatverdächtigen haben?«, setzt Völxen hinzu. »Für den Mord an ihrem
Chef lieÃe sich zur Not noch das eine oder andere Motiv finden, aber warum
sollte sie Irene Dilling umbringen?«
Ich bin umgeben von testosterongesteuerten Volltrotteln, erkennt
Oda.
»Wie wäre es mit einer Verdeckungstat? Vielleicht wusste die Dilling
etwas, und hat die Fender erpresst. Vielleicht hat die Fender die Dilling doch
noch zurückgerufen, gestern Nacht.«
»Das wird sich ja bei der Telefondatenerfassung herausstellen«,
meint Völxen gelassen. Sie sind bei ihren Autos angekommen.
»Und jetzt?«, fragt Oda.
»Jetzt fahren wir nach Hause und genieÃen den Abend im trauten
Familienkreis. Im Augenblick können wir nur hoffen, dass die Spurensicherung
bald etwas Handfestes liefert. Diesmal gibt es wenigstens kein Wasser, das alle
Spuren zerstört.«
Der Vorschlag gefällt Oda, und ehe es sich Völxen anders überlegt,
macht sie sich aus dem Staub.
Auch Völxen steigt in seine Staatskarosse. Er genieÃt es jedes Mal,
wie die Hydraulik den Wagen beim Starten in die Höhe drückt. Er fährt zur
Polizeidirektion und parkt dort den Wagen. FuÃballfans ziehen durch die
WaterloostraÃe zum Stadion. Völxen reiht sich in den Pulk ein. Früher hatte er
mal eine Dauerkarte, inzwischen geht er nur noch selten ins Stadion. Aber
jetzt, da er die Gesänge hört und die Leute strömen sieht, verspürt er direkt
wieder Lust dazu. Zumal gegen Borussia Mönchengladbach ein Sieg ziemlich
wahrscheinlich ist, denn die Borussen krebsen gerade auf dem 18. Tabellenplatz herum,
während die Roten auf dem sechsten Platz quasi nach den Sternen greifen.
Zumindest der UEFA-Cup scheint in Reichweite. Ob es wohl noch Karten
gibt? Mit solchen Gedanken trägt sich Völxen, als er am Gilde-Bierstand vor dem
Stadion ausschert.
Boris Markstein hat sich gerade ein frisch gezapftes Pils geholt. Er
reicht es Völxen mit den Worten: »Sie sehen durstig aus, Herr Hauptkommissar.«
Das hat er allerdings scharfsinnig erkannt.
Markstein besorgt sich ein weiteres Pils, und nach einem »Zum Wohl«
und etwas Geplänkel reicht Markstein dem Kommissar zwei gedruckte Blätter mit
den Worten: »Das ist das Interview, wie es übermorgen im Focus erscheinen wird.«
Hat er es also doch geschafft, denkt Völxen missmutig. Während er
sein Bier trinkt, überfliegt er die Blätter.
»Zufrieden?«, fragt Markstein.
»Ja und nein. Es ist nichts dabei, was wir nicht schon wüssten.«
»Dafür kann ich nichts.«
»Hat er sonst noch irgendwas gesagt, was hier nicht steht?«
Der Journalist wischt sich Bierschaum vom Mund. Sein Haar steckt
heute unter einer weiÃen Baseballmütze, was sein Gesicht noch wieselhafter
erscheinen
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