Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
Vom Netzwerk:
der letzten Zeit tatsächlich geändert? »Offen gestanden weiß ich es nicht. Ich bin wie gelähmt. Mir ist nur absolut klar, dass mir mein Sohn wahnsinnig fehlt und ich ihn nicht verlieren will. Die Beziehung zu meiner Frau steht auf einem anderen Blatt. Das war vorher nicht so.«
    »Super.« Sie seufzte und schüttelte etwas theatralisch den Kopf. »Verzeihung, ich meine nicht Ihre verzwickte Situation, sondern meine Fähigkeit, Ihnen durch meine aufdringlichen Fragen den Appetit zu verderben. Jetzt sitzen wir beide vor halbvollen Tellern«, fügte sie schnell hinzu.
    »Daran liegt es nicht, Anne. Es ist einfach zu heiß heute, fürchte ich.«
    »Danke für Ihre Höflichkeit. Wir sind wohl beide momentan nicht so richtig in der Lage für Smalltalk.«
    Sie versuchten es dennoch. Anne erzählte von ihrem neuen, nervenaufreibenden Job in einem Callcenter, von dem Portugiesisch-Sprachkurs, den sie besuchte, und von neuen Bekanntschaften in Schwabing. Drei- oder viermal pro Woche ging sie in eine der Bars um die Ecke. Gerald verspürte einen leichten Stich. Suchte sie nur nach oberflächlichen Bekanntschaften und spulte dabei ihre Geschichte mit derselben Beiläufigkeit ab, wie andere ihre Visitenkarten austauschten? Ein Schmetterling, der von einer Verabredung zur nächsten flatterte, gemeinsames Frühstück inklusive?
    Als der Kellner mit der Rechnung kam, atmete Anne mehrmals tief ein, wie Kinder, die ihren Kopf in der Badewanne so lange wie möglich unter Wasser halten wollen. Sie verschränkte die Finger, bis die Knöchel weiß wurden, und sagte: »Mein Fleisch war leider etwas hart.«
    Der Kellner, ein hochgewachsener Inder von vielleicht fünfzig Jahren mit einer auffallend breiten vergoldeten Uhr und einer ebensolchen Halskette, hob überrascht die Augenbrauen. Dann sah er zu Gerald, als erwarte er einen Kommentar von ihm oder als wäre Gerald für die Meinung seiner Begleiterin in irgendeiner Weise verantwortlich. Schließlich murmelte er, ebenfalls in Geralds Richtung: »Tut mir leid. Sage ich der Küche« und verschwand mit dem Geldschein, den Anne auf den Tisch gelegt hatte.
    »Das ist meine Mutprobe für heute. Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag etwas zu machen, was ich früher gerne gemacht hätte, aber gelassen habe, um nicht anzuecken. Auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist.« Dann fügte sie beinahe flüsternd hinzu: »Unverschämt! Der Kerl hat nur Sie angeschaut, als wäre ich Ihr Hund oder Ihr Kindergartenkind oder so etwas.«
    Sie ließ kein Trinkgeld zurück und rührte auch den Likör nicht an, den der Kellner zum Abschied gebracht hatte.
    Es war deutlich kühler geworden. Die Luft roch plötzlich nach Herbst, dunkle Wolken zeigten sich am Himmel. Aber es war noch nicht zu kalt, um in einem Straßencafé etwas zu trinken. Gerald hatte darauf bestanden, sie einzuladen, und begleitete sie anschließend nach Hause.
    Sie hakte sich bei ihm ein. Obwohl sie mehr als einen Kopf kleiner war als er, fanden sie sofort zu einem gemeinsamen Schritt. Mit Nele war es anders gewesen, ihre Schrittlängen waren immer unterschiedlich gewesen, sodass sie bestenfalls Hand in Hand gingen. Gerald spürte Annes Körper neben sich, er roch ihr Parfüm. Die Korallenkette zitterte leicht an ihrem Hals. Sie war schlanker als Nele und hatte schmalere Hüften.
    Viel zu rasch standen sie vor ihrer Haustür. Anne wohnte in einem Hinterhaus in der Schellingstraße, das offensichtlich gerade renoviert worden war. Im Hof, neben den Fahrrädern, stapelten sich einige leere Farbeimer.
    »Ich finde …«, begannen beide gleichzeitig und mussten laut lachen.
    »Ja, es war ein sehr schöner Abend«, sagte Gerald, nachdem sie sich einige Sekunden direkt in die Augen geblickt hatten. Er wollte eigentlich hinzufügen, dass er seine Mutprobe des Tages noch nicht bestanden hatte, und sie dann küssen. Aber dafür fehlte ihm doch der Mut.
    »Ich rufe dich morgen an«, sagte sie, während sie den Hausschlüssel aus ihrer Handtasche kramte. Und schon war sie verschwunden.

8
    Batzko lehnte am Türrahmen und spielte mit dem Autoschlüssel in der rechten Hand. »Du brauchst den Computer gar nicht erst anzumachen. Wir fahren sofort nach Giesing.«
    Wenigstens kein schiefes Grinsen und keine Frage, wie es gestern Abend gewesen war, dachte Gerald.
    Wegen der vielen Baustellen und des morgendlichen Berufsverkehrs kamen sie nur im Schneckentempo voran. Es wäre schneller mit der U-Bahn gegangen, dachte Gerald, aber Batzko hasste alle öffentlichen

Weitere Kostenlose Bücher