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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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schnelle Schritte in den Raum hinein und trat gegen die Schnapsflaschen, die auf dem Boden standen wie Kegel.
    »Das Schwein«, keuchte er. »Er hat alles kaputt gemacht. Und am Ende hat er bekommen, was er verdient hat.«
    Der Ausbruch kam so unerwartet, dass keiner der anderen reagierte. Batzko, der als Letzter noch im Wohnzimmer gestanden hatte, versuchte sich an Franz-Georg Mostert vorbeizuschieben. Doch das war nicht mehr nötig. Gerd Thaler hatte seine Selbstkontrolle wiedergefunden. Er rückte seine Brille zurecht und strich über die Aktentasche.
    Die Temperaturen waren im Laufe der letzten Stunden gestiegen. Die Sonne strahlte am blauen Himmel. Eine Abschiedspostkarte des Sommers, der in den letzten Tagen immer heftiger vom Herbst bekämpft worden war. Der Spielplatz war entsprechend voll und laut. Dennoch hatten Gerald und Nele eine Bank für sich. Severin schlief im Kinderwagen. Er hatte, wie Nele erzählte, vorübergehend die gute Laune verloren, weil er zu viele Dinge probieren wollte, die nur ältere Kinder schaffen konnten. Dabei hatte er sich so sehr verausgabt, dass er vor einer halben Stunde im Sand sitzend eingeschlafen war, und so auch nichts mehr von dem Eis essen konnte, das Gerald ihm mitgebracht hatte. Nun saßen Nele und er nebeneinander auf der Bank, leckten abwechselnd an den Kugeln und schwiegen. Gerald spürte eine Art stilles Einverständnis zwischen ihnen, das nach den Monaten voller Diskussionen und Gespräche, in denen jedes Wort eine potenzielle Tretmine hatte sein können, äußerst angenehm war. Als wollte sie es bestätigen, legte Nele ihre Hand in seine. Sie hatte auch, ganz gegen ihre Gewohnheit, geschwiegen, als sie in der vergangenen Nacht miteinander geschlafen hatten. Es war sehr sanft gewesen, ohne Gier und Wildheit. Jeder Kuss, jeder Berührung war eine wortlose Bitte um Nachsicht, Verständnis und Verzeihung gewesen.
    Gerald beobachtete das Treiben auf dem Spielplatz. Nach einer gewissen Zeit signalisierte Nele ihm durch das Drücken ihrer Hand, dass sie gehen wollte. Gerald nickte. Doch in diesem Moment klingelte sein Handy.
    »Wo bist du gerade? Alleine? Oder bei Plan A oder Plan B?«
    »Ich bin auf dem Spielplatz.«
    »Aha, Plan A also. Hast du dich von den Spinnern in dieser Wohnung inspirieren lassen und fängst noch einmal ganz von vorne an?«
    Nele hatte die Hände schon am Kinderwagen und sah Gerald fragend an.
    »Eine ziemlich beeindruckende Vorstellung, das muss ich dir lassen«, fuhr Batzko fort. »Ich glaube kaum, dass es uns bei der Lösung des Falles wirklich weiterbringt, aber die Szenen in der Wohnung hatten durchaus einen gewissen Unterhaltungswert.« Batzko schien eingeschnappt, dass Gerald ihm von seiner Vermutung nichts erzählt hatte.
    »Du hast mich nicht deshalb angerufen, oder?«
    »Natürlich nicht. Ich habe vor, deinen Feierabend um eine Stunde zu verschieben, mein Lieber. Die Kollegen von der Streife haben Minker erwischt, unseren selbsternannten Flaucher-Sheriff. Er hat sich mit Jugendlichen angelegt. Ich finde, wir sollten uns das ansehen.«
    Sie fuhren über die Kapuzinerstraße. Glücklicherweise herrschte nur wenig Verkehr. Batzko hatte die Sonnenstrahlen genutzt, um seine neue verspiegelte Pilotenbrille vorzuführen. An der Wittelsbacherbrücke sah Gerald mehrere Obdachlose. Sie saßen nahe am Ufer auf Schlafsäcken und Decken. Einer stand etwas abseits und hielt den Kopf so tief gesenkt, als würde er im Stehen schlafen. Neben ihm auf den Steinen lag in einem schwarzen Koffer mit vielen Aufklebern eine Gitarre. Aus der Distanz konnte Gerald sein Alter schwer abschätzen, zudem begruben der wild wuchernde Vollbart und die schulterlangen Haare das Gesicht förmlich unter sich. Gerald fragte sich, welche Lebensumstände ihn wohl in diese Situation gebracht hatten. War er ein Hippie oder vielleicht ein unter die Räder gekommener Straßenmusikant? Möglicherweise war er auch ein einfacher Arbeiter gewesen, dem die Ehefrau, nachdem er von der Montage zurückgekehrt war, einfach die Koffer vor die Tür gestellt hatte. Niemand wird zum Obdachlosen geboren. Man wird dazu, weil an einem bestimmten Punkt die Probleme des Lebens größer sind als unsere Kraft, sie zu bewältigen.
    Er musste an Arndt Baumann denken und an die Gegenüberstellung in der Giesinger Wohnung vor wenigen Stunden. Es mochte alles schlüssig gewesen sein, was er gesagt hatte. Seine Theorie besaß nur einen gravierenden Makel: Sie konnte nicht erklären, warum der Tote die

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