Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
dazukommen sollte? Sie hat zwar behauptet, nichts von der Wohnung gewusst zu haben. Aber ist das glaubwürdig? Wenn wir sie in der St.-Martin-Straße haben, können wir sie besser in die Zange nehmen.«
»Das stimmt schon. Aber selbst wenn sie von der Wohnung gewusst hat, war sie nicht gemeinsam mit den anderen dort. Ich will erst einmal genauer wissen, was sich dort wirklich abgespielt hat. Ich habe eine ganz bestimmte Theorie. Da stört mich Baumanns Witwe nur.«
»Sie hat kein Alibi.« Batzko blieb hartnäckig.
»Gib mir das Treffen heute, so wie es angesetzt ist. Danach reden wir weiter. Hat sich Scharnagl zufällig gemeldet?«
Batzko schüttelte den Kopf. Es war ihm anzumerken, wie sehr er sich darüber ärgerte, dass Gerald seine eigene Theorie verfolgte. »Wenn Scharnagl es gewesen ist, wird ihn die Bergwacht irgendwann in einer tiefen Schlucht finden.«
»Scharnagl kommt zurück. Da bin ich mir sicher.«
»Dass ich das noch erlebe«, kommentierte Batzko sarkastisch, »dass es noch Dinge gibt, bei denen du dir sicher bist.«
Als Batzko den Wagen in der St.-Martin-Straße parkte, stand Dr. Franz-Georg Mostert bereits auf dem Bürgersteig und biss in eine Leberkäsesemmel, die er sich offensichtlich in der Metzgerei nebenan gekauft hatte. Es war ein merkwürdiges Bild: Mostert aß mit nervösem Heißhunger, dabei beugte er den Oberkörper nach vorne, damit kein Fetttropfen oder Senffleck seine korrekte Kleidung beschmutzten konnte.
Gerald stieg aus und atmete die frische kühle Luft tief ein, um seine Müdigkeit etwas zu vertreiben. Es war ein trockener, aber eher kalter Tag. Der Herbst meldete sich langsam. Immerhin konnte Nele mit Sevi noch auf den Spielplatz gehen, dachte er und spürte im nächsten Moment einen heftigen Stich – Anne. Er hatte sie an diesem Morgen nicht angerufen, auch keine SMS geschickt. Er musste sich unbedingt bald bei ihr melden.
Batzko trommelte mit den Fingern auf das Wagendach. »Hallo, Herr Kollege, hier spielt die Musik.«
Gerald hob entschuldigend den Arm. Als er die Straße überqueren wollte, sah er das Ehepaar Thaler in ihrem Wagen sitzen, einem Mercedes älterer Bauart, der aber so neu aussah, als würde er mehrmals am Tag durch die Waschstraße geschleust werden. Von ihrer Position aus konnten sie sehen, dass Mostert bereits vor dem Hauseingang wartete, aber sie hatten ihren Wagen nicht verlassen. Mit Baumanns Tod schien ihre Freundschaft also vorbei zu sein. Nun musste Gerald noch herausfinden, ob seine Theorie, die er sich aus verschiedenen Puzzlesteinen und Hinweisen zusammengesetzt hatte, der Wirklichkeit entsprach.
Gerd und Gertie Thaler waren nun ausgestiegen und kamen ihnen entgegen. Herr Thaler trug einen tadellos sitzenden Anzug mit einer gepunkteten Krawatte und einem Einstecktuch im selben Muster. Die schwarzen Schuhe blinkten in der Sonne. Er hatte eine schmale Aktentasche bei sich, als wäre er zu einer geschäftlichen Verabredung gekommen.
Gertie Thaler war wieder sehr elegant gekleidet – ein sandfarbenes Kostüm mit knielangem Rock und raffiniert geschnittenem Oberteil. Sie schien sich ihrer Attraktivität und Wirkung auf Männer durchaus bewusst zu sein.
Die Thalers begrüßten die Kommissare mit einer distanzierten, aber formvollendeten Höflichkeit, während sie Franz-Georg Mostert kaum beachteten. Sie nickten ihm flüchtig zu und murmelten ein unverbindliches »Grüß Gott«. Auch Mostert schien eher verlegen als erfreut, die Mitmieter der Giesinger Wohnung zu treffen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und sagte: »Ich habe maximal eine halbe Stunde.«
Gerd Thaler bestätigte dankbar, dass auch sie wichtige Termine hätten.
Batzko ignorierte das, schloss die Haustür auf und betrat als Erster den Flur. Zwei Kinder drängten sich an ihnen vorbei. Mit riesigen Schulranzen auf den Rücken kämpften sie darum, als Erster an der Treppe zu sein, indem sie sich gegenseitig mit den Ranzen anstießen und in die Ecke drängten. Irgendwo im Haus wurde eine Tür geöffnet, eine Frauenstimme war zu hören, die vermutlich auf Türkisch etwas rief, das wie eine Ermahnung klang.
Keiner sagte etwas, bis sie im Flur vor der Wohnung standen und Batzko mit dem Schlüssel zunächst die polizeiliche Versiegelung kappte und dann die Eingangstür öffnete.
Sie alle wichen instinktiv zurück vor dem Geruch, der ihnen entgegenströmte. In der Wohnung war es stickig, schließlich war sie seit Tagen nicht gelüftet worden, und ein strenger Alkoholgeruch lag
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