Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
bis zu diesem Zeitpunkt keine Reaktion gezeigt hatte, bewegte sich von ihrem Mann weg. Sie ging an Gerald, der in der Mitte des Raumes stand, vorbei zu der verschlissenen Sitzgruppe, blieb aber davor stehen, statt sich zu setzen. Sie sah niemanden an, stand nur unschlüssig im Raum.
»Sie wollten aber jemandem auf die Finger schauen«, Gerald wandte sich wieder an ihren Ehemann. »Und zwar Arndt Baumann. Ihnen, Herr Thaler, war nicht entgangen, dass Herr Baumann und Ihre Frau sich seit langem zueinander hingezogen fühlten. Das war ein entscheidender Grund, warum sich Edith Baumann aus dem Freundeskreis zurückgezogen hatte. Ich habe zwischenzeitlich ein wenig recherchiert: Sie, Frau Thaler, waren gerade erst achtzehn Jahre alt, als Sie Mutter wurden. Natürlich haben Sie vorher geheiratet, wie es sich gehört. Doch irgendwann wollten Sie wohl mehr vom Leben.«
»Könnte ich ein Glas Wasser haben, bitte«, flüsterte Gertie Thaler. Sie ließ sich langsam auf die Couch sinken, mit den Fingerspitzen massierte sie ihre Schläfen. Es war ein seltsames Bild, wie sie in ihrem edlen Kostüm auf dem zerschlissenen Sofa saß. Batzko ging in die Küche und kam mit einem Glas Wasser wieder zurück.
»Es mag sein, dass die beiden sich auch an anderen Orten getroffen haben. Das ist nicht wichtig. Wichtig allein ist, dass die Beziehung zwischen Frau Thaler und Herrn Baumann gegen die Regeln, die Sie selbst aufgestellt hatten, verstoßen hat. Es ist passiert, was niemals hätte passieren dürfen und sollen: Die Beziehungen der ›Armen Ritter‹ zueinander in dieser Wohnung haben die Beziehungen dieser Menschen außerhalb dieser Wohnung dramatisch verändert.«
Franz-Georg Mostert pfiff anerkennend durch die Zähne. Gerd Thaler blickte zu Boden. Er murmelte Satzfetzen wie: »Reine Spekulation … eine infame Beleidigung … ich verwahre mich«, aber es klang nicht so, als würde er selbst daran glauben.
»Ich vermute, dass die Konflikte am vorletzten Wochenende eskaliert sind. Das vermute ich zumindest, wenn ich daran denke, dass Herr Baumann sich den folgenden Montag und Dienstag frei genommen hatte. Seiner Sekretärin und seiner Frau gegenüber hat er sich eine Ausrede einfallen lassen. Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass er diese beiden Tage für sich und Gertie Thaler wollte. Ich rede jetzt einfach mal ins Blaue hinein: Was wäre, wenn sie gemeinsam sogar ein neues Leben beginnen und nun in Ruhe die konkreten Schritte planen wollten.«
Niemand reagierte, niemand sagte etwas. Es war ein merkwürdiges Schweigen. Gerd Thaler lehnte mit dem Rücken an der Wand, den Kopf gesenkt. Gertie Thaler drehte das halbleere Wasserglas in den Händen.
Batzko räusperte sich leicht, er ging direkt auf Gerd Thaler zu und fragte ihn: »Haben Sie Arndt Baumann am vorletzten Sonntagabend an der Isar getötet?«
Bevor dieser antworten konnte, rief Franz-Georg Mostert: »Ich erhebe Einspruch. Das dürfen Sie nicht.«
» Was darf ich nicht?«
»Wenn Sie Herrn Thaler nicht länger als neutralen Zeugen befragen, sondern ihn einer Tat verdächtigen, müssen Sie ihm das mitteilen und ihn über seine Rechte aufklären, auch das einer Aussageverweigerung.« Mostert sprach mit einer ungewohnten Schärfe in der Stimme.
»Das kann ich gerne machen. Eine meiner leichtesten Übungen«, gab Batzko zurück.
»An die ich Sie bedauerlicherweise erinnern musste. Ich behalte mir vor, Ihre Vorgesetzten darüber zu unterrichten.« Mostert ging auf Gerd Thaler zu, wie um ihm beizustehen. Auch seine Bewegungen waren nun sicher, die Körperhaltung straffer.
»Ich kann dir nur dringend raten, nicht zu antworten«, sagte er und stellte sich neben Thaler, der regungslos, mit gesenktem Kopf an der Wand lehnte. »Und dir auch, Gertie. Ihr dürft nicht nur schweigen, ihr solltet es unbedingt in eurem eigenen Interesse tun. Wartet auf eine staatsanwaltschaftliche Vorladung und nehmt einen Rechtsbeistand mit. Falls ihr niemanden kennt, helfe ich euch gerne mit ein paar Namen aus.«
Batzko und Gerald wechselten einen schnellen Blick.
»Dann ist unser Treffen also hiermit beendet«, sagte Gerald. Mostert sah auf die Uhr und nickte, stellvertretend für das Ehepaar Thaler.
Gerald schloss die Fenster in diesem und in den anderen Räumen. Als er in der Diele stand, kam zuerst Gertie Thaler aus dem Wohnzimmer, dann folgte ihr Mann. Als sich dieser in der Höhe der Küche befand, blieb er stehen. Dann durchzuckte etwas seinen hageren Körper, er machte ein, zwei
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