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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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fast nichts Neues. Das war ein Teil der Begründung, warum sie gegangen war, und sie war überrascht gewesen, wie sehr es ihr gefehlt hatte.
    Das Leben im Gebet war für sie kein Problem, obwohl sie es leichter fand, ihr eigenes Brevier zu beten, als an den gemeinsamen Gottesdiensten teilzunehmen, leichter, die Zeit im Gebet in der Kapelle ihres Zimmers allein zu verbringen. Ihr Zimmer. Sie hatte über sich selbst lachen müssen. Ihr Zimmer war eins der größeren Probleme gewesen – wie lächerlich das auch klang. Aber es stimmte.
    Ihr Zimmer glich eher einem langweiligen, praktischen Raum in einer Pension als einer Klosterzelle. Es war spärlich möbliert, aber nicht ungemütlich. Es ging zum Garten hinaus. Es war düster, sie hatte nie das Gefühl gehabt, dass es ihr Zimmer war, und es hatte keinerlei Atmosphäre ausgestrahlt. Ein Einzelbett mit einer hellblauen Tagesdecke, ein heller Holzschrank im Stil der dreißiger Jahre, ein kleiner Schreibtisch mit einem dunklen Holzstuhl – irgendwie hatte sie der Kontrast gestört –, ein schlichter Frisiertisch aus dunklem Holz ohne Spiegel. Ein Lehnstuhl, mit beigefarbenem Mokett gepolstert, wie man sie in Altenheimen findet. Eine verstellbare Schreibtischlampe, die ständig auseinanderfiel. Ein Kruzifix auf dem Schreibtisch. Die Reproduktion eines Renaissancegemäldes der
Vertreibung aus dem Paradies
an der Wand. Ein Gifthauch von Depression war über sie hergefallen, als sie das Zimmer zum ersten Mal betreten hatte, und war nie vergangen, sondern immer wiedergekommen, sobald sie hineinging. Eine Eremitenzelle, aus einem Fels gehauen, oder eine mit weißgetünchten Steinmauern in einem mittelalterlichen Kloster mit einem eigenen Gartenstreifen, einer hohen Mauer ringsum, eine Strohmatratze auf dem Boden. War es das, wonach sie sich gesehnt hatte? Beinahe verlegen hatte sie vor ihren falschen, lachhaften Erwartungen gestanden.
     
    Am Tag vor ihrer Abreise hatte sie ein schlichtes Abendessen an einem Tisch am Fenster eingenommen, organisiert von der Äbtissin, die fest an Begegnungen unter vier Augen und Gesprächen bei Essen und Trinken als eine Möglichkeit glaubte, viele Probleme und Schwierigkeiten innerhalb ihrer Gemeinschaft zu klären. Es war angenehm gewesen, und die Unterhaltung hatte einen weiten Themenbereich umfasst – Weltgeschehen und Politik, die Not in der Dritten Welt, die Stellung des Klosterlebens in der modernen Gesellschaft, Erziehung, die Rolle der Frauen in der Kirche. Die Äbtissin war keine Priesterin. Keine der Nonnen war ordiniert, und Jane hatte der Respekt vor ihrem Status angerührt, der ihr von den älteren und ranghöheren Frauen entgegengebracht wurde.
    Als eine Schwester den Kaffee gebracht hatte, waren sie in die beiden Lehnstühle übergewechselt, die am offenen Fenster mit Blick über den Park standen, und Jane hatte gesagt: »Ich gehöre nicht hierher. Ich habe mich zu Hause nicht zugehörig gefühlt. Auch in Lafferton war nicht mein Platz. Ich fürchte, ich werde nie irgendwohin gehören, Schwester.«
    »›Unsere Herzen sind rastlos, bis sie in Dir ihre Ruhe finden.‹ Das bedeutet etwas für dich, Jane, wenn ich dich nicht vollkommen missverstanden habe. Du hast hier nicht das gefunden, wonach du suchst, doch die Gründe dafür haben nichts mit Mangel an Glauben oder gar dessen Verlust zu tun.«
    »Nein. Hier zu sein hat mich in meinem Glauben bestärkt. Das weiß ich so sicher wie sonst nichts.«
    »Das freut mich. Doch innere Ruhe und Zuversicht sind so wertvoll, und wenn man glaubt, so wie du, dann wird es nicht schwerfallen, seinen wahren Platz im Leben zu finden.«
    »Nicht?«
    »Nein. Mag sein, dass es Zeit in Anspruch nimmt. Vielleicht schlägst du verschiedene Richtungen ein – aber die werden nur zu deiner Erfahrung beitragen. Und wenn ich etwas weiß, dann, dass nichts verschwendet ist. Nicht endgültig.«
    »Ja. Aber welche Richtung schlage ich jetzt ein?«
    »Als du hierherkamst, hast du unter anderem davon gesprochen, wieder wissenschaftlich arbeiten zu wollen. Ich weiß, dass du hier viel Zeit in der Bibliothek verbracht hast. War das hilfreich?«
    »O ja, das habe ich sehr gern getan.«
    Sie hatte in der Bibliothek für sich allein gelesen, gelernt und nachgedacht, war dort aber auch zur Arbeit herangezogen worden, und die Zeit, die sie da verbracht hatte, war die beste während ihres Aufenthalts gewesen. Die andere Arbeit hatte sie in der Wäscherei verrichtet, was ihr auch einigermaßen gefallen hatte,

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