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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Dabei macht es mir nichts aus, es hat überhaupt keinen Einfluss … auf alles.«
    »Tom. Erzähl.«
    Er beugte sich näher zu ihr und legte seine Hand auf ihre. »Was ist so schrecklich an Tom?«
    »Nein, nicht schrecklich …« Sie seufzte. Es war schwer, und das sollte es nicht sein, doch ihr war manchmal noch immer unwohl zumute nach allem, was geschehen war.
    »Als er sechzehn war, hat ihn einer seiner Freunde eingeladen, mit ihm und seiner Familie in Urlaub zu fahren. Dann stellte sich heraus, dass es eine Art christlicher Urlaub war – in Zelten auf einem Ausstellungsgelände. Jedenfalls, als Tom das klarwurde, sagte er, er wolle trotzdem mitfahren, weil er es versprochen habe. Es sei ein Jux, außerdem gebe es dort Bands, er würde es schon überstehen. In der Nähe waren Strände zum Surfen. Das Ganze war in Cornwall. Also fuhr er mit. Lizzie und ich gingen wandern in Northumberland – am Hadrianswall entlang. Wir lachten viel darüber, wie der arme Tom sich wohl zurechtfinden würde. Doch als wir zurückkamen, hatte er sich zurechtgefunden und war beigetreten.«
    »Soll das heißen, sie haben ihm eine Gehirnwäsche verpasst?«
    »Nicht so ganz. Aber die Atmosphäre war so geladen und emotional, dass er unter hohem Druck stand. Er sagte, es sei gewesen, als wäre ein Licht angegangen. Er las dann nur noch in der Bibel und traf sich mit diesen Leuten. Sie haben extreme, fundamentalistische Ansichten und lehnen vehement jeden ab, der nicht zu ihnen gehört. Ich war wütend. Ich habe versucht, mit ihm zu reden. Doch das ist nicht möglich. Ihre Gehirne scheinen neu verkabelt zu sein, und man kommt nicht durch. Lizzie hat ihm das Leben zur Hölle gemacht. Aber ich bin davon ausgegangen, dass es im Sande verlaufen würde, so wie alles, was Teenager treiben.«
    »Aber so war es nicht.«
    »Im Gegenteil. Und ich habe versucht, es dir gegenüber nicht zu erwähnen.«
    Phil musste lachen.
    »Das ist nicht witzig. Wirklich nicht. Du solltest ihn hören – er ist so ernst, wenn es darum geht. Er ist nicht der Tom, den ich kenne, Phil – er spricht über nichts anderes, er hat kaum andere Freunde. Er ist in diesem Sommer auf einer ihrer Versammlungen in Amerika gewesen und kam mit erschreckenden rechten Ansichten und noch fundamentalistischer zurück. Wir mussten uns darauf einigen, überhaupt nicht darüber zu sprechen. Ich habe große Schwierigkeiten, damit klarzukommen.«
    »Die hätte ich auch.«
    Das Restaurant leerte sich. Phil hatte seine Weincreme aufgegessen. Sie waren sich einig, zu Kaffee überzugehen. Phil bat um die Rechnung. Doch was er gesagt hatte, schien schwer in den Raum zwischen ihnen zu fallen.
Die hätte ich auch.
    Helen stand auf und ging zur Toilette, wütend, dass sie es ihm hatte sagen müssen, wütend auf Tom. Jetzt würde alles schiefgehen. Auseinanderbrechen.
    Sie sah in den Spiegel. »Du liebst ihn«, sagte sie.
     
    Lizzie war bei einer Freundin. Toms Motorrad stand im Durchgang.
    »Ich bleibe nicht«, sagte Phil. »Komm am Wochenende zu mir.«
    »Nein. Komm jetzt mit rein. Ich lasse mir mein Leben nicht von meinem Sohn vorschreiben.
    Phil berührte ihren Arm. »Das wird auch nicht so sein. Aber ich habe morgen einen langen Unterrichtstag vor mir.«
     
    Sie sah ihm nach, bis sein Wagen um die Ecke gebogen war. Bei Tom brannte Licht, auch unten war alles hell.
    Helen sah zum Halbmond hinauf. Die Luft war kalt, es roch nach Winter.
    Jetzt wusste er es also. Es schien komplett falsch, dass es weder Drogen noch schlechte Gesellschaft war, weder Alkohol noch Schulschwänzen, sondern ein engstirniger Sektenglaube, der sie von Tom trennte, der das Leben mit ihm schwer machte und Phil vielleicht vertrieb. Würde sie sich an seiner Stelle abschrecken lassen?
    Nein, dachte sie. Nein, bestimmt nicht. Ich hätte gesagt, was Phil gesagt hat. Dass es Toms Leben sei und sie ihr Leben nicht davon beeinträchtigen lassen sollte.
    Aber das war leicht gesagt.
    Tom saß am Küchentisch und aß eine Schale Müsli, eine Broschüre aufrecht an den Milchkrug gelehnt.
    »Hallo.«
    Tom brummte. »War’s schön?«
    »Sehr. Das Stück war ausgezeichnet, genau wie das italienische Essen. Daher lautet die Antwort ›Ja‹. Tee?«
    »Nein danke.«
    Mit einem Seitenblick erfasste Helen, was er las. »Ist das etwas, was sie verfechten? Keuschheit?«
    »Kein Sex vor der Ehe.«
    »Kommt aufs selbe raus. Du lieber Himmel.«
    »Wie?«
    »Oh, einfach nur so – gute Güte. Nicht gerade modern.«
    »Nein, modern

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