Der Toten tiefes Schweigen
schien sich vor Simon aufzutun und einen Krater freizulegen.
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Achtunddreißig
S ie hatte seltsam geklungen. Nicht wie sie selbst. Doch er war unfähig gewesen, es einzuordnen.
»Können wir an einem anderen Abend gehen?«, hatte sie gefragt.
»Was ist los? Geht es dir nicht gut?«
»Nein. Ja. Ich meine, ich bin nicht krank, nur ein bisschen – ich würde lieber an einem anderen Abend gehen. Oder nur etwas trinken.«
»Aber ich habe reserviert.«
Sie hatte geseufzt. Schweigen.
»Komm, es tut dir gut, danach geht es dir besser.«
»Wo ist es eigentlich?«
»Es wird dir gefallen.«
»Ich mag keine Überraschungen.«
»Die wird dir gefallen.«
Schweigen. Anhaltendes Schweigen. Er hatte es nicht deuten können.
»Alison?«
»Ja, ja, gut. Tut mir leid. In Ordnung, prima, wir gehen.«
»Bist du sicher?«
»Hab ich doch gesagt.«
»Ich möchte, dass es dir gefällt. Es soll dir Spaß machen, es ist etwas Besonderes.«
»Das wird schon. Entschuldige. Wann willst du fahren?«
»Ich hol dich um sieben ab.«
»So früh?«
»Da gibt es etwas anzuschauen, dann können wir was trinken, und danach werden wir essen.«
»Ist es weit weg, dieser Ort, wo immer er ist?«
»Zwanzig Minuten.«
»Oh. Gut.«
»Ich hol dich um sieben ab.«
»Gut. Schön. Bis später.«
»Ich liebe dich.«
Doch sie hatte bereits aufgelegt.
Jetzt saß er vor seinem Tee, schottischem Ei und grünen Bohnen, Pflaumen und Sahne und hörte, wie ihre Stimme geklungen hatte. In seinem Kopf. Er hatte es gewusst und doch nicht gewusst. Natürlich nicht. Sie waren verlobt, sie würden in sechs Monaten heiraten. Sie war erkältet oder hatte ihre Tage.
Er hatte es gewusst.
Er starrte auf das Ei auf seinem Teller. Sauber in zwei Hälften geteilt, das helle, krümelige Eigelb, das gummiartige Eiweiß mit einem Stich ins Grau, das Wurstbrät, die orangefarbenen Krumen.
Er hatte es gewusst.
Als er dort eintraf, war sie noch nicht fertig, und ihre Schwester Georgina war da, sah ihn an und wandte den Blick ab. Später war ihm klargeworden, dass Georgina verlegen gewesen war. Weil Alison ihr etwas gesagt hatte.
Doch er hatte es nicht beachtet. Natürlich. Alles war in Ordnung. Warum auch nicht? Sie waren verlobt. Sie würden heiraten. Eine wie Alison gab es nicht noch einmal. Das hatte er im Gefühl, ganz und gar. Niemand war so wie sie.
Sie war in den Raum getreten, und die Sonne war aufgegangen. Es lag an dem, was geschah, was sie tat. Sie trug ein blaues Kleid und eine weiße Jacke, ihr Haar hing herab, wallte um ihren Kopf, durchscheinendes Haar. Das Licht schien hindurch, als sie in den Raum kam.
Alison.
Georgina hatte sie angesehen. Alison war ihrem Blick ausgewichen.
Da war etwas.
Doch als er von der Bordsteinkante abfuhr, hätte er vor Glück laut lachen können.
»Compton Ford Hotel«, hatte sie laut vorgelesen, als sie durch das Tor und über die Auffahrt fuhren. Der Kies knirschte unter den Reifen. »Ich habe schon davon gehört.«
»Es wird dir gefallen. Ich war hier und habe es ausgekundschaftet.«
»Wozu?«
»Für uns. Wart’s ab.«
Er half ihr aus dem Wagen, und sie sah sich langsam um, nahm alles in sich auf, den dicken Kiesbelag und die Rasenflächen, die Steintröge mit weißen Blumen, die Terrasse und die Allee zwischen den Bäumen.
»Komm mit.«
»Es ist sehr schick hier. Muss teuer sein.«
»Na und?«
Die Treppe war geschwungen, das Foyer hatte einen Marmorboden, der Speiseraum war verglast, die Türen standen zum Rasen hin offen. Weiße Tischtücher. Kellner in langen weißen Schürzen. Blumen.
»Sieh nur, die Blumen«, flüsterte Alison ihm zu.
»Wart’s ab – die werden dir gehören. Uns.«
»Was soll das heißen?«
»Unsere Hochzeit.«
»Wir können hier nicht heiraten!«
»Warum nicht?«
Doch sie drehte sich um. Ging zur Toilette, während er ihre Getränke bestellte und einen Tisch auf der Terrasse in der Abendsonne suchte. Dort saß er, stellte es sich vor, rief sich ihr Bild vor Augen. Der Garten voller Gäste, Alison mittendrin.
Es dauerte lange, bis sie zurückkam, so schien es ihm.
»Ich habe um einen Prospekt gebeten«, sagte er, »als ich das letzte Mal hier war. Was sie anbieten. Du kannst alles haben, was du willst. Man muss nur darum bitten, und schon bekommt man es.«
Sie hatte ihn angesehen und den Blick rasch wieder abgewandt. Sie hatte ihr Weinglas in die Hand genommen, einen kleinen Schluck getrunken und es wieder abgestellt.
»Woran denkst du?«
Er
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