Der Totenerwecker (German Edition)
Hass erinnerte. Die Schwestern hielten sie fest, aber sie versuchte, sich aus dem Griff zu befreien.
»Hol sie zurück! Mach schon! Tu es!«
»Mrs. McCarthy! Der Junge kann nichts machen. Die Ärzte haben alles in ihrer Macht Stehende getan. Ihrer Mutter kann niemand mehr helfen. Sie ist von uns gegangen.«
»Aber er kann es. Er kann sie zurückholen!« Sie sah Dale an. Ihre Augen waren so voller Tränen, dass er sich fragte, ob sie ihn überhaupt sehen konnte. »Warum holst du sie nicht zurück? Warum nicht?«
Dale überlegte, was er sagen konnte, um seine Mutter zu beruhigen, am besten etwas, das mitfühlend und weise klang, aber ihm fiel nichts ein. Das Einzige, was ihm einfiel, war die Wahrheit.
»Ich will sie nicht zurückholen. Sie mochte mich nicht.«
Die beiden Krankenschwestern drehten sich um und starrten Dale an. Seiner Mutter fiel die Kinnlade herunter.
»Du hast das getan. Stimmt’s? Du hast ihr das angetan. Es war kein Traum. Stimmt’s? Verschwinde von hier! Hau sofort ab! Ich will dich nicht in ihrer Nähe haben!«
Ein stämmiger, schwarzer Pfleger kam zusammen mit einem Wachmann ins Zimmer.
»Vielleicht solltest du draußen warten, kleiner Mann. Deine Mutter ist ein bisschen durcheinander. Alles wird gut.«
»Raus! Raus! Raus! Du hast das getan! Ich weiß, dass du es warst!«
Zusammen mit dem Pfleger und dem Wachmann verließ Dale den Raum. Er hasste es, seine Mutter so zu erleben, aber er war froh, dass die alte Frau nicht mehr lebte. Er pfiff vor sich hin, während sie zum Wartezimmer gingen, hörte aber sofort damit auf, als ihm klar wurde, wie unpassend das erschien. Er schaute den Pfleger an, der einen Blick mit dem Wachmann wechselte. Die beiden wirkten schockiert. Das kam Dale witzig vor. Er begann zu lachen. Die Gesichter der Männer nahmen einen bestürzten Ausdruck an, und Dale musste noch mehr lachen. Sie brachten ihn ins Wartezimmer und gingen kopfschüttelnd davon. Eine Mutter im Teenageralter saß mit einem Säugling auf dem Schoß da.
»Was ist so lustig, Kleiner?«
Dale wischte sich die Tränen aus den Augen und schaute das Mädchen an. Sie lächelte ihm zu, erwartete wohl einen richtig guten Witz.
»Meine Oma ist gerade gestorben.« Er wandte sich von ihr ab und lachte weiter.
Kapitel 4
Dale saß in seinem Zimmer und las in der abgegriffenen Ausgabe der Enzyklopädie des Verbrechens den Eintrag zu einem Serienmörder, den man in den 80er-Jahren in Philadelphia gefasst hatte. Sein Name war Gary Heidnick, und er hatte Frauen entführt und monatelang in seinem Keller angekettet, wo er sie vergewaltigte und folterte. Einige der Frauen hatte er ermordet und auf seinem Grundstück oder in einem nahe gelegenen Wald vergraben. Mindestens eine war von ihm zerstückelt, zu Eintopf verarbeitet und an seine Hunde und die anderen Frauen verfüttert worden. Dale stellte fest, dass ihn die Geschichte sexuell erregte. Seine einzige Möglichkeit, jemals an eine Frau heranzukommen, dürfte darin bestehen, sie zu entführen.
Die Mädchen an der High School ignorierten ihn, wenn sie ihn nicht gerade verspotteten oder als Versager oder Spinner beschimpften. Dank eines schweren Falls von Akne sah Dales Gesicht aus, als wüchsen Preiselbeeren darauf. Wo seine Haut nicht von Pickeln übersät war, wirkte sie krankhaft bleich. Dale war so dürr, dass die Knochen seiner Brust und Schultern deutlich hervortraten, wenn er es wagte, ein Muskelshirt zu tragen. Er sah aus, als hätte er seit Monaten nichts gegessen. Sein Brustkorb war eingefallen, die Wangen hohl. Die Augen saßen tief in den Höhlen, was seinem Gesicht eine skeletthafte Anmutung verlieh. Er war das genaue Gegenteil der athletischen Typen, hinter denen alle Mädchen an der High School her waren. Ihm fehlte der sonnengebräunte, muskulöse Körperbau. Er schien so gesund zu sein wie der Tod persönlich, wenn der auf einem Haufen Atommüll hockte und eine Zigarre rauchte.
Dale wandte sich jetzt der Geschichte von Ed Kemper zu, verlor aber schnell das Interesse daran. Er fand es uninteressant, von Mördern zu lesen, die ihre Opfer aus purer Lust am Töten umbrachten. Diese Lust kannte er. Es war die einzige Lust, die er je verspürt hatte. Jetzt, wo er mitten in dem Aufruhr der Pubertät steckte und seine Hormone verrücktspielten, begann er, sich für andere Formen der Befriedigung zu interessieren. Die Mädchen in seiner Klasse faszinierten ihn zunehmend. Er war neugierig, welche Freuden ihre jungen Körper für ihn bereithalten
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