Der Totenerwecker (German Edition)
stand er jeden Samstag früh auf und machte ihr Frühstück. Sarah war klar, dass Josh arbeiten musste, um die Familie zu versorgen. Trotzdem hasste sie es. Sie wünschte sich, er könnte jeden Tag mit ihr verbringen.
Sie liebte es, zu Hause zu bleiben und die pflichtbewusste Hausfrau zu spielen, zu kochen und zu putzen, das Haus zu verschönern, Gutscheine auszuschneiden, die Haushaltskasse zu führen, sich für ihn schön zu machen – aber manchmal hasste sie es auch. Alles andere wäre eine Lüge. Wenn Josh jeden Morgen vor Sonnenaufgang zur Arbeit fuhr und manchmal erst lange nach Sonnenuntergang nach Hause kam, weil er Doppelschichten schob – Zehn-, Elf-, Zwölfstundentage –, regten sich in ihr Eifersucht und Unsicherheit. Sarah wusste natürlich, dass Josh hart arbeitete, aber sie dachte nur daran, dass er in der Firma Leute kannte, mit denen er redete, und dass viele von diesen Leuten Frauen waren.
Josh arbeitete als Blackjack-Croupier in einem der größten Casinos der Stadt. Selbst wenn Sarah sich nicht vorstellen konnte, acht Stunden lang am selben Fleck zu stehen und Karten zu mischen – ihre Füße und ihr Rücken würden sie umbringen –, so konnte sie sich doch gut all die interessanten Menschen vorstellen, die er dort traf. Inklusive flirtfreudiger, angetrunkener Damen auf der Suche nach einer Las-Vegas-Affäre.
Sarah glaubte nicht, dass Josh sie betrog. Dafür war er nicht der Typ. Aber sie wusste, dass er Freude an seiner Arbeit hatte. Er genoss die Gesellschaft von Menschen. Es gefiel ihm, dass er manchmal Prominente, Millionäre und Menschen aus der ganzen Welt sah. Sarah sah nur den Verkäufer im Lebensmittelgeschäft um die Ecke und die Kassiererinnen bei Walmart. Sie fühlte sich einsam. In Las Vegas kannte sie niemanden. Sie hatte ihre Familie zurückgelassen, ihre Freunde – alle, mit denen sie in Indianapolis aufgewachsen war. Obwohl sie seit mittlerweile elf Jahren in der City of Angels lebte, kannte sie nicht einmal die Namen ihrer Nachbarn. Aufgrund der vielen Zwangsversteigerungen wechselten diese so oft, dass sie sie gar nicht kennenlernen konnte. Ihr einziger Freund war Josh.
Der beißende Geruch nach verbrannter Butter zog aus der Küche heran, gefolgt von einigen geflüsterten Flüchen und dem Zischen von kaltem Wasser, das in einen heißen Topf gegossen wurde. Sarah kicherte. Josh mochte vieles sein, ein harter Arbeiter, ein aufmerksamer Zuhörer, ein einfühlsamer Liebhaber, ja sogar ein halbwegs passabler Sänger – aber er war ein lausiger Koch. Wie jedes Wochenende krabbelte Sarah aus dem Bett, um nach unten zu gehen und Josh zu retten, bevor er das Haus abfackelte.
Ein lauter, dumpfer Schlag ertönte von der gegenüberliegenden Straßenseite, und mehrere Stimmen begannen zu rufen, nicht wütend, nur etwas lauter als eigentlich nötig. Sarah trat ans Fenster und spähte hinaus. Ein Umzugswagen stand vor dem kleinen Bungalow, in dem die Jensens, ein älteres Ehepaar, gewohnt hatten, bis sie ihre Hypothek nicht mehr abzahlen konnten und in die Zwangsvollstreckung rutschten. Sarah tat es leid um sie. Es waren die einzigen Nachbarn gewesen, mit denen sie sich gelegentlich unterhalten hatte, aber auch das ging nie über Small Talk auf dem Weg zum Briefkasten hinaus.
Drei Männer in Overalls hievten große Kisten aus dem Umzugswagen. Ein kleiner, magerer, dunkelblonder Mann in weißem Polohemd und Jeans stand nervös daneben. Einem der Helfer war eine Kiste auf die Laderampe gefallen, und sie rutschte langsam hinunter zur Straße. Es schien nichts kaputtgegangen zu sein, aber der Magere sah aus, als wollte er jeden Moment losbrüllen. An seiner Stirn traten die Adern hervor, die Kaumuskeln verkrampften sich, und er war knallrot im Gesicht, aber als er sprach, klang seine Stimme ruhig und beherrscht.
»Können Sie bitte etwas vorsichtiger sein? In diesen Kisten ist teures Computerzubehör. Damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt.«
Sarah schüttelte ungläubig den Kopf. Wenn diese Komiker ihr Zeug auf die Straße gedonnert hätten, wäre sie in die Luft gegangen wie sonst was. Sie verstand nicht, warum Männer immer glaubten, keine Gefühle zeigen zu dürfen. Josh war genauso. Wenn das Haus brannte, überlegte er vermutlich als Erstes, wie er sie wecken konnte, ohne die Stimme zu erheben.
Der Magere hob den Kopf zum Himmel, als betete er, dass seine Sachen es unbeschadet bis ins Haus schafften. Sein Körper war angespannt, und er hielt die Augen geschlossen. Langsam
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