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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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gelächelt.«
    »Haben Sie eine Vermutung, woran das lag?«
    »Der Herr möge mir meine Spekulationen vergeben.«
    »Nur zu.«
    »Es könnte etwas mit seinem Elternhaus zu tun gehabt haben. Ich habe seine Eltern kennengelernt. Die Mutter war still und hat sich völlig ihrem Mann untergeordnet. Der Vater war einer von diesen Macho-Typen, die irgendetwas überkompensieren. Ich sage Ihnen das ganz offen: Es war für Asa bestimmt kein Vergnügen, in diesem Haus aufzuwachsen. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen«, sagte Ramone. »Haben Sie irgendeinen Grund zu der Annahme, dass er in illegale Aktivitäten verwickelt war?«
    »Nein, überhaupt nicht. Aber man kann natürlich nie wissen.«
    »Stimmt.« Ramone warf einen Blick auf die Tafel. »Ich würde mir gern einmal sein Tagebuch ansehen, falls Sie es hier haben.«
    »Ich habe es nicht«, erwiderte Ms. Cummings. »Die Schüler geben es am Ende des Halbjahrs ab, und ich überprüfe dann nur, ob sie sich Mühe gegeben haben. Ich will damit sagen, ich lese die Tagebücher nicht. Ich achte darauf, dass sie überhaupt daran arbeiten. Wenn sie das tun, haben sie schon etwas geleistet.«
    Ramone streckte ihr die Hand entgegen. »Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Ms. Cummings.«
    »Ganz meinerseits, Detective.« Ms. Cummings ergriff über das Pult hinweg seine Hand. »Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein wenig helfen.«
    Ramone verließ das Gebäude, ging zu seinem Tahoe und holte ein Paar Latexhandschuhe aus dem Wagen, die er in die Jackentasche steckte. Er ging noch einmal in die Büros der Schule zurück, und wenig später begleitete ihn ein Wachmann zu Asas Schließfach. Der Wachmann las etwas von einem Zettel ab und öffnete das eingebaute Zahlenschloss. Dann trat er zurück, und Ramone, der sich inzwischen die Handschuhe übergezogen hatte, inspizierte den Inhalt des Spinds.
    Im oberen Fach lagen ein paar Schulbücher. Es steckten keine losen Blätter zwischen den Seiten, und auch auf dem Metallboden des Spinds lagen weder Papiere noch sonst irgendetwas. Normalerweise tapezierten Schüler dieser Altersgruppe die Türen ihrer Spinde mit Fotos von Sportlern, Rappern oder Schauspielern. Asa hatte nichts aufgeklebt.
    »Sind Sie fertig?«, fragte der Wachmann.
    »Sie können wieder abschließen«, erwiderte Ramone.
    Er hatte gehofft, das Tagebuch des Jungen zu finden, doch es war nicht hier.

EINUNDZWANZIG
    Terrance Johnson öffnete Ramone die Tür. Johnson hatte rote Augen, und er roch nach Hochprozentigem. Er schüttelte Ramone die Hand und hielt sie dabei länger als nötig fest.
    »Danke, dass Sie mich reinlassen«, sagte Ramone und zog seine Hand zurück.
    »Sie wissen doch, dass ich mit Ihnen kooperiere.«
    »Es ist wichtig, dass Sie auch mit Detective Wilkins kooperieren, Terrance. Wir arbeiten in dieser Sache alle zusammen, und er leitet die Ermittlungen.«
    »Wenn Sie es sagen, werd ich mich dran halten.«
    Im Haus herrschte eine unheimliche Stille. Weder menschliche Stimmen noch die Geräusche eines Fernsehers oder Radios waren zu hören.
    »Ist Helena hier?«
    Johnson schüttelte den Kopf. »Sie wohnt vorläufig bei ihrer Schwester, Deanna auch. Helena hält es in diesem Haus momentan einfach nicht aus. Ich weiß nicht, wann sie darüber hinwegkommt.«
    »Es gibt unterschiedliche Trauerphasen. Mit der Zeit wird es leichter.«
    »Ich weiß«, sagte Johnson mit einer unwirschen Handbewegung. Dann stand er da und starrte vor sich hin, den Mund leicht geöffnet, die Augen glasig vom Alkohol.
    »Sie müssen aber auch auf sich aufpassen.«
    »Ich werde besser schlafen können, wenn Sie diese Sache aufgeklärt haben.«
    »Darf ich mir Asas Zimmer einmal ansehen?«
    »Folgen Sie mir.«
    Sie stiegen die Treppe in den ersten Stock hinauf. Es war ein für dieses Viertel typisches Haus im Kolonialstil, mit drei Schlafzimmern und einem Bad im Obergeschoss. Johnson führte Ramone in Asas Zimmer.
    »Wer war seit seinem Tod hier drin?«
    »Ich und Helena«, sagte Johnson. »Deanna auch, nehme ich an. Sonst habe ich niemanden reingelassen, wie Sie gesagt haben.«
    »Gut. Aber ich meine auch die Tage vor Asas Tod. Können Sie sich erinnern, ob er in letzter Zeit vielleicht Freunde oder Bekannte zu Besuch hatte?«
    Johnson dachte über die Frage nach. »Tagsüber habe ich natürlich die meiste Zeit gearbeitet. Ich müsste Helena fragen. Aber ich bin mir fast sicher, dass die Antwort nein lautet.«
    »Warum sind Sie sich da so

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