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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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sicher?«
    »Im letzten halben Jahr oder so, ich glaube eigentlich seit Ende des letzten Schuljahrs, hatte Asa mit niemandem mehr besonders viel Kontakt.«
    »Er hatte keine engen Freunde?«
    »Die alten Freundschaften sind auseinandergegangen. Sie wissen ja, wie das bei Kids so ist.«
    Eigentlich ist das typisch für Mädchen, dachte Ramone. Jungs neigten eher zu dauerhaften Freundschaften. Aber er wusste, dass es stimmte, was Johnson über seinen Sohn sagte. Schließlich waren Diego und Asa früher eng befreundet gewesen, sie hatten sich sogar fast jeden Tag gesehen. Aber Diego hatte vor Asas Tod schon lange nicht einmal mehr von ihm gesprochen.
    »Brauchen Sie mich hier noch?«, fragte Johnson.
    »Danke, ich komme allein zurecht«, erwiderte Ramone.
    Johnson ging, und Ramone sah sich im Zimmer um, während er seine Latexhandschuhe aus der Jackentasche zog und sie überstreifte. Das Zimmer war ordentlicher als Diegos. Das Bett war gemacht. An der Wand hing ein einziges Poster, der obligatorische Michael Jordan im Trikot der Bulls. Asas wenige Footballpokale, die ganz oben auf einem frei stehenden Regal mit erstaunlich vielen Büchern standen, waren für Teamerfolge verliehen worden, nicht für individuelle Leistung.
    Ramone sah die Kommodenschubladen durch. Er öffnete Asas Kleiderschrank und durchsuchte die Taschen seiner Jacken und Hosen. Er fuhr mit der Hand von unten über den Boden der Kommode und die Sprungfedern des Bettes. Er fand nichts, was Asa versteckt hatte. Überhaupt fand er nichts, was für die Ermittlungen relevant sein könnte.
    Als Nächstes durchsuchte Ramone Asas Schultasche, eine JanSport-Umhängetasche. Darin befanden sich ein Tagesplaner, ein Roman für junge Erwachsene und ein Algebra-I-Buch, ohne lose Blätter zwischen den Seiten. Asas Tagebuch war nicht in der Tasche.
    Ramone probierte einen Baseballhandschuh für Linkshänder an, den er im Kleiderschrank fand, doch er passte nicht.
    Auf Asas Schreibtisch stand ein Computermonitor. Ramone setzte sich auf den Stuhl und zog den Tastaturauszug vor. Als er die Maus bewegte, leuchtete der Monitor auf. Der Bildschirmhintergrund war einfarbig blau mit zahlreichen Icons darauf. Ramone erkannte unter anderem Microsoft Outlook, Word und den Internet Explorer. Er hatte nicht viel Ahnung von Computern; weil es sowohl bei ihm zu Hause als auch im Büro PCs gab, war er aber mit diesen Programmen vertraut.
    Er klickte Outlook an und gelangte in Asas Posteingang. Eine Menge Nachrichten wurden angezeigt, doch bei näherem Hinsehen schien es sich ausnahmslos um Spam zu handeln. Ramone öffnete die Ordner für gelöschte und gesendete Objekte und stellte fest, dass sie leer waren. Er klickte Journal, Notizen und Entwürfe an, mit demselben Ergebnis. Ramone stellte die Internetverbindung her, woraufhin die Yahoo!-Startseite angezeigt wurde, und sah sich die Favoriten an. Asa hatte nur wenige Adressen eingetragen, hauptsächlich aus dem Spiele- und Unterhaltungsbereich. Ein paar der Seiten beschäftigten sich auch mit dem Bürgerkrieg und alten Forts und Soldatenfriedhöfen in der Umgebung. Ramone startete Word und sah die Dokumente im Ordner »Dateien von Asa« durch. Alles, was dort gespeichert war, schien für die Schule zu sein: Aufsätze in Naturwissenschaften und Geschichte, besonders viel jedoch über Literatur.
    Es kam Ramone seltsam vor, dass ein Teenager auf seinem Computer so viele Schulsachen und nichts Persönliches abgelegt hatte.
    Er stand wieder auf und stellte sich in die Mitte des Zimmers. Während er seine Handschuhe auszog, ließ er den Blick noch einmal über die Wände, die Bücherregale und die Kommode gleiten. Aus Erfahrung wusste er, dass er heute hier etwas erfahren hatte, auch wenn ihm das noch nicht bewusst geworden war. Doch es war immer frustrierend, wenn die Ermittlungen an einen Punkt gelangten, an dem man das Gefühl hatte, nicht weiterzukommen.
    Ramone ging wieder ins Erdgeschoss hinunter, wo alles still war. Terrance Johnson saß hinter dem Haus, in einem Gartenstuhl mit einer Bierdose in der Hand. An der Hauswand lehnte zusammengeklappt ein weiterer Stuhl; Ramone nahm ihn und trug ihn zu Johnson hinüber.
    »Trinken Sie eins mit?«, fragte Johnson und hielt die Bierdose hoch.
    »Ich glaube nicht, danke. Ich habe noch einiges an Arbeit vor mir.«
    Ramone machte es sich bequem.
    »Reden Sie mit mir«, forderte Johnson ihn auf. Seine spitzen weißen Zähne ragten unter der von Schweißperlen bedeckten Oberlippe

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