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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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waren. Ihre Mutter war als Lady Macbeth erschienen und mit ihrem Vater vor der Vorstellung in die Garderobe gegangen. Sweeneys Eltern hatten eine erhitzte Diskussion geführt - Sweeney wusste nicht mehr, worum es gegangen war, aber an ihre Worte erinnerte sie sich noch. Ivy hatte eine blutrote Robe getragen, ihr langes, schnittlauchglattes rötliches Haar hatte sich in aufwändig geflochtenen Zöpfen auf ihrem Kopf getürmt, ihr Gesicht war gepudert gewesen, mit Rouge auf den Wangen.
    »Du bist so verdammt selbstsüchtig!«, hatte sie geschrien. »Du denkst immer nur an dich! Ich kann nicht glauben, dass du mir das jetzt antust!«
    Sweeney hatte in einer Ecke gekauert und ihre Mutter beobachtet, eine kleine, rote Furie, die in der Garderobe auf und ab lief. Ihr Vater hatte das getan, was er immer tat, er hatte sich in Stillschweigen gehüllt, Ivy angestarrt und sie so nur noch mehr provoziert.
    Ivy hatte an jenem Abend eine ihrer besten Vorstellungen überhaupt gegeben. Sie hatte ihre Wut mit auf die Bühne genommen, sie vor dem Publikum ausgelotet, ihre Tiefen ergründet. Sechs Monate später war sie mit Sweeney aufgebrochen.
    Sie hatten nicht wieder geheiratet. Ihr Vater hatte es unnötig und bourgeois gefunden. Hätten diese schlichten Worte sie retten können? Hätte die Zeremonie ihrer Mutter einen Grund gegeben, zu bleiben? Sweeney bezweifelte das.
    »Ich, Katherine Marie Swift, nehme dich, Milan Simic, zu meinem Ehemann«, sagte Katie und betonte seinen Namen liebevoll so, wie er es tat, »Mie-lahn Sim-ich«.
    Als sie sprach, kehrte das Sonnenlicht zurück. Die Stimmen fuhren fort, und Sweeney bemerkte plötzlich, dass ihr Tränen die Wangen hinabliefen. Toby warf ihr einen fragenden Blick zu, griff nach ihrer Hand und streichelte tröstend ihre Daumenkuppe.

    »Was Gott vereint«, sagte der Pfarrer mit dröhnender Stimme, »kein Mensch entzweit.«
     
    Am Ende der Zeremonie fuhren Sweeney und Toby durch Newport, an der Bellevue Avenue entlang Richtung Ocean Drive. Toby hielt das Geschenk auf dem Schoß - eine Eismaschine, das einzige Geschenk von der Liste, das Sweeney bei ihrem Einkaufsbummel akzeptiert hatte.
    Die von Bäumen gesäumten Gehwege zogen sich diskret um die großen Häuser, die Landhäuser, und gaben den Blick auf drei Stockwerke mit hohen Fenstern frei. Sweeney hatte hier mehr Zeit verbracht als irgendwo sonst, aber die überwältigende Opulenz von Newport überraschte sie jedes Mal von neuem. Es war unglaublich, dass jemals genügend Geld vorhanden gewesen war, um Villen wie The Breakers, Marble House oder Rosecliff zu bauen.
    Oder natürlich das Cliff House.
    Es war noch genau so, wie sie es in Erinnerung hatte, hinter einem hohen Tor am Ende der Bellevue Avenue, fast genau da, wo die Straße einen scharfen Knick machte.
    »Das ist das Haus der Putnams, oder?«, fragte Toby, als sie daran vorüberfuhren. Sweeney nickte, verlangsamte die Fahrt, damit sie einen Blick durch das schwarze Eisengatter auf die hohen Ecktürme des grauen Steinhauses werfen konnten. Auf den Schildern am Tor stand CLIFF HOUSE, PRIVAT. Eine großzügige Gartenanlage erstreckte sich bis zu einer hohen Hecke vor dem Ozean. Die Fenster des ersten Stocks reflektierten den rosafarbenen Himmel. Sweeney beschleunigte wieder und das Haus wurde durch die Zaunstäbe in kleine Fetzen zerteilt, wie die Bilder eines Daumenkinos für Kinder.
    »Ich kriege hier immer ein komisches Gefühl«, sagte Sweeney nach einer Weile. Sie waren auf den Ocean Drive gebogen und passierten nun Bailey’s Beach.
    »Warum?«

    Sie warf einen kurzen Blick zum Strand. »Na ja, so wie uns jeder hier behandelt hat, meine unverheirateten Eltern und all das.«
    »Ich kann mir kaum vorstellen, dass so ein großer Wirbel darum gemacht worden ist.« Toby hatte den größten Teil seiner Kindheit in einer Kommune in Berkeley verbracht und war vom Anstandsdenken der Oststaatler stets überrascht.
    »Doch, doch. Es gab Kinder, die deswegen nicht mit mir spielen durften. Meine Großmutter ist deshalb vor Scham immer im Boden versunken.«
    Sie passierten die Wohnsitze der Neureichen, riesige, moderne Häuser aus Glas, mit symmetrischen Steinfassaden, umgeben von kahler Landschaft. »Okay, hier ist es. Nummer 496, links«, sagte Toby. Sie fuhr langsamer und bog ab. Am Ende der Straße, neben einem weiteren, riesigen Steinhaus, parkten ein paar Jugendliche im Smoking ihre Autos. Sweeney besah sich den Müll, den ihr Dasein Jahr für Jahr in ihrem Golf angesammelt

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