Der Totenschmuck
den Leuten, von denen man denkt, sie hätten einen Haufen Freunde, obwohl sie in Wirklichkeit kaum welche haben. Nicht, dass Sie deswegen eingeladen wurden - ich meine, die Leute sind ihr viel wichtiger, als sie selbst denken.«
Sie schwiegen eine Weile, während er rauchte und Sweeney den Wellen zuhörte, die sich weit unter ihnen brachen.
Als er aufgeraucht hatte, erhob er sich und warf die Kippe den Steilhang hinunter. Sweeney stand ebenfalls auf. »Ich denke, wir sollten zurückgehen. Toby wird mich schon suchen.«
»Ihre Begleitung?«
»Mein bester Freund. Er hat auch im selben Wohnheim gewohnt. Er und Katie sind sogar eine Zeitlang miteinander ausgegangen, aber sie sind gute Freunde geblieben. Toby hat eine erstaunliche Gabe, mit seinen Verflossenen befreundet zu bleiben. Ich nicht. Ich bin schon froh, wenn sie mich nicht hassen.« Sie gingen langsam wieder zurück.
»Mir geht es genau so«, sagte er. »Ich glaube, es gibt ganze Clubs, die mich unisono hassen und voll von meinen Ehemaligen sind.« Als sie das Zelt erreichten, sagte er: »Danke. Vielleicht finde ich Sie später für einen Tanz.«
Sweeney sah zu ihm auf und spürte wieder dieses Kribbeln im Bauch. Er lächelte.
»Das mit Ihrem Bruder tut mir wirklich sehr leid. Ich mochte ihn. Er war … na ja, er war etwas … Besonderes. Er war
anders als die Studenten, die ich sonst unterrichtet habe. Ich vermisse ihn sehr.«
»Er hat Sie auch gemocht. Ich glaube, er war sogar ein bisschen in Sie verliebt. Jetzt verstehe ich auch, warum.« Er musterte sie. »Wissen Sie was? Uns allen würde es viel bedeuten, wenn Sie morgen bei dem Trauergottesdienst dabei sein könnten. Wir können ihn noch nicht beerdigen, wegen der Polizei, aber … wir dachten, das wäre eine gute Idee. Und wenn Sie hinterher mit zu uns nach Hause kämen, würden wir uns freuen.«
»Sehr gern«, sagte Sweeney.
»Abgemacht.« Er lächelte erneut und verschwand, als die Musik verstummte und der Sänger der Band verkündete, dass nun jeder an seinem Tisch Platz nehmen möge.
Toby und Sweeney saßen an einem Tisch mit Lily, Hallie und ihrer Begleitung, Hannah Albright und ihrem Mann. Hannah und er arbeiteten beide für die L.A. Times , machten aus ihrem beruflichen Interesse keinen Hehl und fragten Toby über Brad Putnam aus, als Sweeney sich zu ihnen gesellte. »Das ist jetzt in aller Munde«, erklärte Hannah. »Diese Geschichten bringen einen wirklich zum Nachdenken. Wieso ist der Tod von Brad Putnam so eine Sensation, wenn die fünf schwarzen Kids, die letzte Woche in Washington, D.C. umgebracht worden sind, es nicht mal in die Post schaffen? Hallo, Sweeney.«
Toby warf ihr einen Blick zu, um sicherzugehen, dass sie nicht mehr wütend war, und Sweeney sagte ihm mit einem Zwinkern, dass alles in Ordnung war.
»So«, sagte Hannah mit verschwörerischer Stimme. »Ich habe gesehen, dass du dich mit Jack Putnam unterhalten hast. Woher kennt ihr euch?«
»Ich kenne ihn eigentlich gar nicht. Nur durch die ganze Sache mit Brad.«
»Er war ein Student von ihr«, erklärte Toby.
»Ich bin mit Brad und Jack und den anderen Kindern aufgewachsen«, fuhr Hannah fort. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie verknallt ich in Jack war - mit zehn! Er hatte schon damals etwas Verdorbenes an sich. Ihr wisst, was ich meine?« Sie streichelte ihrem Mann beruhigend über den Arm, der nach dem Motto »Was bin ich denn dann, gehackte Leber?« die Schultern zuckte, was ihn Sweeney sympathisch machte.
Da sie neben Lily saß, wandte Sweeney sich an sie mit der Frage, was sie inzwischen eigentlich machte.
»Ich arbeite für ein Privatlabor«, gab Lily zurück. »Das ist ein interessanter Job, ich fühle mich allerdings ein bisschen wie im Ausverkauf. Aber sie lassen mich meine eigene Abteilung führen. Ich mache mitochondrische DNA-Forschung, das ist gerade eine gute Option für mich. Doch ich hoffe, dass ich bald wieder zurück an das Institut für Technologie in Massachusetts gehen kann.«
»Mitochondrische DNA?«, fragte Sweeney, ernsthaft interessiert.
»Ja, es gibt zwei verschiedene Arten von DNA, nukleare und mitochondrische. Die nukleare ist im Nukleus, dem Zellkern, angesiedelt, und sie enthält genetisches Material von beiden Eltern. Wenn jemand vergewaltigt wird oder wenn du eine große Menge Blut zur Verfügung hast, wird damit untersucht, von welcher Person dieses Material stammt. Dann gibt es die mitochondrische DNA. Das ist mein Spezialgebiet. Mit der mitochondrischen DNA kann man
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