Der Totenschmuck
Mount-Auburn-Friedhof gegangen, an eines ihrer Lieblingsgräber, wo ein Seemann im Alter von siebenundzwanzig Jahren bestattet worden war. Colms richtiges Grab war natürlich in Irland. Sie hatte es nie gesehen. Seine Eltern hatten sie
eingeladen, an der Totenwache teilzunehmen, aber sie hatte sich nicht imstande gefühlt, dabei zu sein. Sie hatte Toby gebeten, ihre Sachen zusammenzupacken und sie nach Hause zu bringen. Er hatte sogar im Institut angerufen und gefragt, ob sie dort unterrichten könne.
Aber an jenem kalten Januartag hatte sie vor diesem Ersatzgrab getrauert.
Und nun war es nach dem langen Winter endlich Frühling geworden. Zwei Wochen waren seit Brads Tod verstrichen, die Sonne war wärmer, und die Tage waren länger geworden. Sweeney schlenderte in eine Ecke des Zelts, blickte auf das Meer und sog seinen feuchten, neuen Geruch ein. Die Wiesen leuchteten in frischem Grün und die Beete waren mit Frühlingsknospen übersät. Die Tulpen waren der Farbe nach gesetzt worden, Rosa, das langsam in Weiß überging, von blassem Pfirsich abgelöst wurde, das in ein kräftiges Gelb mündete. Die Bäume, die dem Rasen Schatten spendeten, trieben begeistert neue Blätter.
Sweeney hielt nach einem ihr bekannten Gesicht Ausschau, als sie Jack Putnam in der Menge entdeckte, der sich angeregt mit einem älteren Mann unterhielt. Als er sie bemerkte, winkte er ihr zu, deutete auf seinen Gesprächspartner und bahnte sich einen Weg über die Wiese in ihre Richtung.
»Hallo, ich dachte mir schon, dass Sie das sein müssen«, sagte er.
Er schaute sie an - sehr eingehend sogar -, sah ihr in die Augen, und in Sweeneys Bauch meldete sich wieder das leichte Kribbeln, das sie bereits bei ihrer ersten Begegnung gespürt hatte. Er trug eine schwarze Krawatte, wie alle anderen Männer der Hochzeitsgesellschaft, aber sein Anzug wirkte moderner als die der anderen, und zerknittert, als hätte er darin geschlafen. Sein Haar sah auch so aus, aber seine Augen - exakt wie Brads - blickten wach und interessiert.
Sie hatte nichts auf seine Begrüßung erwidert, und er schien besorgt. »Ich habe Sie jetzt aber nicht gestört, oder?«
»Nein, nein. Ich wollte mir gerade einen Scotch holen. Möchten Sie auch einen?« Sie hob erwartungsvoll die Brauen.
Er grinste. »Klar«, erwiderte er, sie bestellte und reichte ihm seinen Cocktail.
Es entstand ein betretenes Schweigen, bis Sweeney sagte: »Und, wie geht es Ihnen allen?«
»Nicht gerade großartig«, gab er aufrichtig zurück, hatte seine Gefühle aber unter Kontrolle. Er hatte nichts Forciertes an sich. »Ich dachte, hier« - er machte eine ausholende Geste - »rauszukommen, würde mir guttun. Aber ich weiß nicht so recht …« Er klopfte nervös auf die Tasche seiner Smokingjacke und blickt in die Ferne über die Wiese. »Ich glaube, ich muss eine rauchen. Und Sie …?«
Sweeney schüttelte den Kopf. »Aber tun Sie sich keinen Zwang an …«
»Kommen Sie. Ich werde nicht gern an meinen Leprakranken-Status als einen der letzten Raucher in dieser freien Welt erinnert.«
Sweeney lachte. »Na gut, wenn Sie das so sehen. Ich möchte nicht auch noch die soziale Isolation eines viel versprechenden jungen Künstlers vorantreiben.«
Er zwinkerte ihr zu. »Ja, wer weiß, was passieren könnte? Gigantische Skulpturen von Zigarettenschachteln. Das wäre allein Ihre Schuld.«
Sie lachten und verließen das Zelt. Es war rasch dunkel geworden, während sie drinnen gestanden hatten, und Sweeney kam es so vor, als würde sie auf den Rand der Erde treten. Sie stolperte leicht in ihren hohen Schuhen, als sie den Rasen betraten, und Jack stützte sie. Er war größer als Sweeney, und seine Hand schloss sich fest um ihren Oberarm.
»Danke.« Sie zog ihre Schuhe aus, und das Gefühl des kalten Grases unter ihren Fußsohlen weckte sie auf, schickte das Blut pochend durch ihre Venen, und sie versuchte, im Dunkeln seine Silhouette zu erkennen. Sie spazierten über den leicht ansteigenden Rasen bis zu einer Bank aus Stein, die
oben auf dem Hügel stand, und setzten sich. Jack nahm die Zigaretten aus seiner Tasche und schnippte eine aus der Schachtel. Er steckte sie sich zwischen die Lippen und zündete sie an, lehnte sich erleichtert zurück und nahm einen tiefen Zug.
»Und woher kennen Sie Katie?«
»College. Sie hat das erste Jahr auf meinem Stockwerk gewohnt. Wir waren befreundet, wenn auch nicht sehr eng. Es hat mich überrascht, dass sie mich eingeladen hat.«
»Ich finde, Katie gehört zu
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