Der Totenschmuck
muss er sie mitgenommen haben.«
»Aber er hat Ihnen nichts davon erzählt?«, wollte Quinn wissen. »Wäre das nicht seltsam gewesen? Dass er einfach etwas nimmt, das Ihnen gehört, ohne etwas zu sagen?«
Kitty sah ihn ungeduldig an. »So war es ja nicht. Es war einfach nur alter Kram, oben auf dem Boden. Er hat gesagt, dass er an einem Projekt für die Uni arbeitete und deshalb sehen wollte, was er aufstöbern konnte. Ich habe ihm gesagt,
er könnte gern alles nehmen, was er da oben entdeckte. Die meisten Sachen gehören ohnehin Andrews Familie.«
»Was ist das?«, fragte Melissa erneut. »Ist es tatsächlich aus Haaren gefertigt?«
»Ja«, erklärte Sweeney. »Besonders im Viktorianischen Zeitalter war es üblich, Schmuck aus dem Haar des oder der Verstorbenen zu flechten. Auf diese Weise konnte man den Menschen immer nahe bei sich haben, auch nach dem Tod.«
Melissa bekam große Augen.
Sweeney blickte in die Runde. »Fällt Ihnen noch etwas ein, jetzt, wo Sie wissen, woher der Schmuck kommt? Hat Brad jemals davon gesprochen?«
»Ich denke nicht«, sagte Drew. Er blickte zu seinen Geschwistern, die den Kopf schüttelten.
»Aber er hat sich für diese Dinge interessiert«, sagte Camille leise. »Er mochte Friedhöfe.«
»Ja, das tat er«, stimmte Kitty zu. »Er mochte Friedhöfe. Als er klein war, hat er sich manchmal dort ausgeruht. Er hatte überhaupt keine Angst.« Sie unterdrückte ein Schluchzen, und als sie Andrew ansah, bemerkte Sweeney, dass auch in seinen Augen Tränen standen.
Ihr Blick fiel auf ein gerahmtes Familienfoto auf Andrews Schreibtisch und teils aus Interesse, teils weil sie ihn ansprechen wollte, sagte sie: »Was für ein schönes Bild.«
»Danke. Das war bei Jacks Vernissage in der Davis Gallery vor ein paar Monaten.«
Quinn räusperte sich. »Gut, wir verabschieden uns wieder. Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Er steckte die Fotos wieder ein.
Sweeney warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Aber es gibt noch viel mehr -«
»Ich begleite Sie nach draußen«, fiel er ihr resolut ins Wort. Jack sah Sweeney fragend an und hob die Brauen.
Camille sagte rasch: »Es war sehr nett, Sie kennen zu lernen. Brad hat von Ihrem Unterricht geschwärmt, wissen Sie.«
Sweeney war verunsichert. »Es hat mich auch gefreut, Sie kennen zu lernen«, sagte sie. »Und es tut mir wirklich sehr leid.«
Als sie im Flur waren, sagte Quinn: »Ich danke Ihnen. Sie haben uns sehr geholfen. Und wir haben sogar herausgefunden, woher der Schmuck stammt. Die Recherchen können wir uns also ersparen. Das ist doch schon mal was.«
»Aber es gibt noch so viele Fragen«, warf Sweeney ein. »Wir müssen wissen, warum ihn dieser Schmuck so interessiert hat und wie lange er ihn schon hatte.« Warum er Bob Philips im Blue Carbuncle danach gefragt hatte, hätte sie beinahe gesagt, biss sich aber im letzten Moment auf die Zunge.
»Ja, wir kümmern uns darum«, erwiderte er unkonzentriert. Er sah unglaublich müde aus, seine blauen Augen waren blutunterlaufen, seine Wangen leicht eingefallen.
»Aber Sie können sich diese Gelegenheit doch nicht einfach so entgehen lassen! Sie wollten doch alles über den Schmuck erfahren. So viele Fragen sind noch gar nicht beantwortet worden.«
»Ms St. George, Sie haben uns dabei geholfen, zu ermitteln, dass die Schmuckstücke nicht von einem Dritten in die Wohnung gebracht worden sind und sich bereits in Mr Putnams Besitz befunden haben, bevor er umgebracht wurde. Nur das haben wir herausfinden wollen. Also, danke noch mal.« Er verlagerte sein Gewicht leicht nach vorn und versuchte, seinen Größenvorteil auszuspielen. Aber er war nur knapp drei Zentimeter größer als sie, sie stellte sich auch auf die Zehen und brachte ihn dazu, einen Schritt zurückzuweichen.
»Aber … ich denke, dass ihm irgendetwas daran komisch vorgekommen ist. Es gibt eine ganze Reihe von interessanten Möglichkeiten, warum Mr. Putnam sich so seine Gedanken über den Schmuck gemacht hat.«
»Ms St. George, wir können das jetzt auch allein erledigen. Ich muss wieder rein.«
»Ich denke nicht, dass Ihnen klar ist, was das bedeuten könnte für …«
»Auf Wiedersehen.« Er ging wieder ins Zimmer zurück und schloss die Tür hinter sich.
Als sie nach Hause kam, war Sweeney noch immer wütend. Sie zog sich aus, schleuderte die Kleider gegen die Schlafzimmerwand und stapfte durch den Kleiderberg, um sich ein Bad einzulassen.
Eines von Sweeneys Lieblingsmöbeln in ihrer Wohnung war die alte Badewanne
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