Der Toyota Weg
kümmern, also ließen die Experten diese außer Acht.
Der Ford-Manager beschloss, das Handling des externen Teils der Logistik von einer Fremdfirma ausführen zu lassen, vergleichbar dem Toyota-Zulieferer Transfreight. Der Ford-Manager initiierte für die Vergabe eine Ausschreibung, die aggressive Ziele zur Senkung der Logistikkosten beinhaltete (10 Prozent pro Jahr). Das Unternehmen, das die Ausschreibung gewann, sollte das gesamte US-Geschäft erhalten. Penske Logistics machte das Rennen und begann, die Montagewerke mit kleineren Mengen zu beliefern. Penske übernahm die Verantwortung für die Belieferung der Ford-Werke mit 167.000 Teilen von 900 Zulieferern. Das Unternehmen entwickelte und managte das gesamte Transportnetz, verhandelte direkt mit den Spediteuren, regelte Mängel und Reklamationen und wickelte den Zahlungsverkehr ab.
Der verantwortliche Ford-Manager gab den Marschbefehl aus: „Jedes Teil jeden Tag.“ Damit war gemeint, dass jedes Teil, das bisher ein Mal wöchentlich oder ein Mal monatlich geliefert wurde, mindestens ein Mal täglich geliefert werden sollte. Das war ein mörderischer Befehl. Ironischerweise bezeichnete er dieses Projekt als „Nirvana“, dessen Kernstück der Deal mit Penske Logistics war. Ford wollte auf diese Weise hunderte Millionen Dollar an Transport- und Lagerkosten sparen. Als Ergebnis wurde der Ford-Manager zum Vice President Materialplanung und Logistik befördert.
Penske Logistics richtete eine Geschäftseinheit mit einem eigenen Leiter ein, der sich ausschließlich auf das Geschäft mit Ford konzentrierte. Penske besaß nicht viele der Kapitalanlagen, die man mit dem Ford-Auftrag assoziieren würde – weder eine Lastwagenflotte noch eigene Cross-Docks. Penske agierte eher als Schaltzentrale, die logistische Lösungen für Fords Bedürfnisse fand. Das Unternehmen beschäftigte Analysten und Verkehrsexperten, die die geeignete Transportlogistik ausarbeiteten und sie dann laufend betreuten. Damit nahm Penske eine Mittlerfunktion ein, indem es sowohl mit den Ford-Werken über Dinge wie Lieferzeiten und Liefermengen verhandelte, als auch mit Transportunternehmen. Die Werksleiter hatten ihrerseits Ziele zur Reduzierung des Lagerbestands zu erfüllen und installierten viel kleinere, Toyota nachempfundene „Teilesupermärkte“, um Lagerfläche für andere Aufgaben frei zu machen.
Alles in allem hatte diese Initiative den Anschein, als handelte es sich um eine originalgetreue Umsetzung des Toyota-Systems ... oberflächlich betrachtet. Die Ergebnisse waren jedoch desaströs. In einem Interview im Oktober 2002 mit einem Manager von Penske, der für das Design des Transportnetzes verantwortlich war, erfuhren wir Folgendes:
„Jedes Teil jeden Tag“ war wunderbar für die Ford-Werke, weil dadurch enorme Flächen frei gemacht wurden, und diese neu gewonnenen Werksflächen konnte Ford Gewinn bringend nutzen. Aber die Logistikkostenstiegen dadurch um 100 Millionen Dollar pro Jahr. Nach einer Weile reichte es Ford, der Vice President verließ das Unternehmen, und wir erhielten den Auftrag, zum alten System großer Lieferchargen, die ein Mal pro Woche bzw. ein Mal pro Monat geliefert werden sollten, zurückzukehren. Wir arbeiten schon seit acht Monaten daran. Das Topmanagement von Ford ist irritiert darüber, dass wir das nicht in acht Wochen schaffen. Eigentlich wird es sogar eher ein Jahr dauern. Das Ziel lautet, die Transportkosten wieder auf das Niveau vor Nirvana zu bringen. Am Ende des Nirvana-Projekts hatten wir die Kapazitäten, um täglich 95 Prozent der Teile zu liefern. Mit dem neuen Vorhaben hätte das Ford-Management gerne, dass wir auf 60 Prozent kommen. Aktuell liegen wir bei ca. 80 Prozent. Es war völlig unrealistisch, von traditioneller Zulieferung auf JIT umzustellen und anzunehmen, das senke die Kosten. Ich habe keine Ahnung, woher diese Kosteneinsparung hätte kommen sollen. Wir haben gerade eine Untersuchung über die Verbesserung des Liefernetzes durchgeführt. Wir denken, das wird Ford acht Millionen Dollar im Jahr sparen. Aber welche Konsequenzen hat das für die Werke? Deren Lagerbestände werden dadurch wieder steigen, und darüber werden sie nicht glücklich sein.
Dieses Fallbeispiel, das deutlich macht, wie Ford unter dem damaligen CEO Jacques Nasser einen Supply-Management-Ansatz verfolgte, der in völligem Gegensatz zu Toyotas Methode steht, enthält viele lehrreiche Dinge. Ford verfolgte die richtige Absicht, von TPS zu lernen, um sein
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