Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
dem Fäden aus Goldbronze leuchteten, und mit den milchig weißen Opalen an Hals, Ohren und Handgelenken - wäre da nicht ihr Haar gewesen, das tiefrot und gänzlich ungebändigt in üppigen Locken über ihren Rücken floss.
»Comte du Lalonde«, begrüßte Mim sie in äußerst gepflegtem Ton. Rue ergriff ihre beiden Hände und beugte sich darüber.
»Chérie.«
Dann wandte sich Mim Christoff zu. Für den Bruchteil einer Sekunde entdeckte Rue einen Riss in der ansonsten makellosen Fassade der anderen Frau, eine Gefühlsregung hinter den klaren, grauen Augen. Als Mim aber weitersprach, war ihr
Tonfall aufgesetzt wie immer. »Und wie ich sehe, haben Sie einen Freund mitgebracht! Willkommen, Mylord.«
Der Marquis von Langford nickte, ohne zu lächeln, doch immerhin mit einer etwas weniger wölfischen Ausstrahlung als zuvor. Er schien nicht gänzlich ungerührt von Mims geschminkter Anmut und ließ ihre Hand weder zu rasch noch zu spät wieder los. Aber er bedachte die Kurtisane mit einem Ausdruck, in dem, wie Rue fand, etwas Drängenderes als reine Neugier lag. Sie spürte einen Anflug von Verärgerung und erstickte ihn rasch.
Es spielte keine Rolle, wen er mochte. Mim war wunderschön, aber es war bedeutungslos.
»Sie waren lange nicht mehr hier«, sagte Mim und ließ ihr Lächeln wieder zu Rue wandern. »Kommen Sie, Mylord. Bitte, kommen Sie doch beide mit hinein.«
Rue bot ihr den Arm. Mim hakte sich ein, und ihre Berührung war so kühl und leicht wie Luft. Gemeinsam betraten sie den Verbindungsflur, und Christoff folgte ihnen.
Er hatte Samt und Wasserpfeifen erwartet - nun ja, jetzt würde er eher auf seine Kosten kommen. Hinter dem züchtigen Salon nahm das Haus de Leveillé einen weitaus exotischeren Zustand an. Es gab keine Fenster mehr, und die einzigen Lichtquellen bildeten Kerzenleuchter hinter Milchglas in den Farben von Rubinen und Austern und in Gold. Die Decke war zwar nicht mit Samt bespannt, aber mit steifen, wollseidenen Stoffen. Gemälde an den Wänden zeigten in gedeckteren Farben Männer und Frauen, die sich in prächtigen Harems oder Palastzimmern paarten.
Gelegentlich konnten sie erahnen, was sich hinter den verschlossenen Türen, an denen sie vorbeikamen, abspielte: Gelächter einer Frau, das unterdrückt wurde und schließlich verstummte; das leise, plötzliche Spritzen einer Flüssigkeit
auf Kristall oder Stein; keuchendes Atmen, die geflüsterten Nachwirkungen von Opium; eine Gambe, ohne Begleitung, die eine tiefe, vibrierende Melodie spielte.
Ihr wurde schwindlig vom Opiumgeruch. Sie versuchte, den Atem anzuhalten, bis sie an der Quelle vorbei waren.
Mim drehte den Kopf. »Wollen Sie etwas zum Frühstück? Champagner? Nein? Nun gut, wir werden schon etwas anderes finden, das Sie in Versuchung führt.«
Sie drangen ins Herz des Gebäudes vor, ein viereckiges Zimmer voller Sofas und Sessel und dicker Kissen, in dem ein Cembalo in einer der Ecken stand, das sehr leise von einem Mädchen mit karamellfarbener Haut und kohlschwarzen Augen gespielt wurde. Hier waren weniger Männer, als Rue bei anderen Gelegenheiten gesehen hatte. Heute waren nur fünf anwesend, von denen sie zwei kannte, und sie wurden von einer ganzen Riege von Frauen umhegt und umschwärmt. Aber es war früh am Morgen. Die meisten von Mims Kunden dürften schon in den Zimmern verschwunden oder nach Hause zu ihren Frauen gegangen sein.
Das Mädchen am Cembalo sah auf, als sie eintraten. Ihre Hände hoben sich von den Tasten; sie stand auf und kam in langsamen Tempo zu ihnen herüber.
»Gaétan«, sagte sie, lächelte und drückte Rue einen kurzen Kuss auf die Lippen. Sie sprach Französisch und hakte sich ein.
»Sind Sie gerade erst angekommen? Wie ich Sie vermisst habe.«
Rue antwortete in der gleichen Sprache. »Und ich Sie erst, meine Liebe. Ich war nicht in der Stadt. Aber sehen Sie, ich habe Ihnen eine Kleinigkeit aus Calais mitgebracht.« Sie zog ein rundes, goldenes Amulett aus der Westentasche, reich verziert und an einem königsblauen Band befestigt. Das Mädchen,
das hier den Namen Portia trug, tänzelte zurück und klatschte in die Hände, womit sie sich geschickt die Aufmerksamkeit des gesamten Raumes sicherte.
Rue wusste, wie es für die weingesättigten Gentlemen aussehen musste; zumindest hoffte sie, dass es so aussähe. Doch in diesem Augenblick dämmerte ihr, dass Kit in Wahrheit der Dreh- und Angelpunkt war. Er konnte die Situation retten oder sie zunichtemachen.
Er allerdings schien
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