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Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Titel: Der träumende Kameltreiber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amor Ben Hamida
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dass er über den Zahlungsmodus und die Namen der möglichen Enkelkinder Bescheid wusste, sagte er nur leise: ‚Es tut mir leid, mein Sohn, aber Souad hat sich nach ihrem letzten Besuch in Sousse verlobt und vor drei Wochen geheiratet. Abdelmajid bat um ihre Hand, er ist ein anständiger, gläubiger Mann, deshalb willigte ich ein. Schade, dass du zu spät bist. Gute Nacht, mein Lieber.’ Als ich den Hörer aufgelegt hatte, musste ich zuerst laut lachen. Seht ihr, was ich meinte, als ich euch sagte, dass man oft das Problem am falschen Ende anpackt? Ich hätte mir die Mühe ersparen können, so viele Freunde zu behelligen mit meinen Bitten und meinen Erklärungen, wenn ich ihn zuerst kurz angerufen hätte.

    Ich ging am nächsten Tag beim Professor vorbei und sagte ihm ins Gesicht: ,Professor, dein Plan taugt nichts, sie ist schon vergeben.’ Ich dachte, ich hätte ihn erledigt. Aber er holte sein Blatt hervor und sagte: ,Wenn also dieser Weg nicht dorthin führt, dann ein anderer. Aber das Ziel bleibt Europa!’ Dann zeichnete er in das Blatt, als wenn er einen Weg aus einem Labyrinth markieren würde. Er fing oben an, ging nach rechts, dann nach unten, wieder nach rechts, dann hinauf, nach links, quer durch, dann wieder hinunter und landete mit der Bleistiftspitze erneut auf dem Wort Europa .
    Dann erklärte er: ,Also gut, eine Landsfrau, ich meine ein zweite, hättest du nicht, oder? Dann bleibt dir nur eine Touristin übrig. Du bist an der Quelle, mein Freund, du musst eine Europäerin, egal welcher Nation, auf einem Kamelritt oder wenn sie dich zu einem Kaffee einlädt, fragen. Du musst ganz direkt sein, keine strategischen Lügen und Hypothesen. Frag etwa mit diesen Worten: ‚Hören Sie, ich suche eine Möglichkeit, nach Europa zu gehen. Ich bin bereit, dafür zu bezahlen. Heiraten Sie mich und nehmen Sie mich mit und ich unterschreibe, dass ich Ihnen fünftausend Euro bezahlen werde, innerhalb dreier Jahre, monatlich ab jenem Monat, wo ich eine fixe Arbeit habe. Sollte ich wider Erwarten arbeitslos werden, entfallen während dieser erwerbslosen Zeit die Zahlungen, es sei denn, ich erhielte eine Entschädigung oder anderweitige Unterstützung. In jenem Fall verpflichte ich mich zur Weiterführung der Ratenzahlungen im Verhältnis zu den Einnahmen …’ Ich stoppte seinen Redefluss: ,Bist du eigentlich auch Anwalt und Buchhalter, Professor?’

    Ich stand wieder da, mit einem geplatzten Plan, einem neuen und sehr unwahrscheinlichen Plan und den länger und kälter werdenden Nächten. Was nun, Ahmed?, dachte ich.«
    Ahmed wandte sich zu seiner Rechten: »Wie weit ist dein Tee, Mansour?« »Gut Ding will Weile haben, mein Freund, noch fünf Minuten.«
    In der Runde wurde diese künstliche Pause kommentiert, leise, fast unhörbar für den Erzähler.
    »Siehst du? Jetzt muss er eine Denkpause machen. Er weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll. Ich habe dir ja gesagt, die Sache stinkt. Er war nie und nimmer in Europa. Ein guter Erzähler, ja, aber eben nur ein Erzähler.«

    »Ich war also wieder am Anfang«, fuhr Ahmed fort. »Die letzten Touristen verließen die Gegend. Es ging auf Dezember zu. Nur noch ältere Herrschaften buchten ein paar Wochen Sonne, weil anscheinend der Winter in Europa sehr hart sein konnte und ihnen an den Knochen nagte. Dass der Winter in Europa tatsächlich hart ist, sollte ich später erfahren. Ich dachte ständig an die Worte des Professors, der mir immer und immer wieder mit stechendem Blick einhämmerte: ‚Du musst es versuchen, verstehst du, sonst geht meine Prognose nicht auf. Du musst dich einer jungen oder alten Europäerin nähern. Auf diesem Gebiet bist du bestimmt besser und erfahrener als ich. Also denk dran: Dein Ticket nach Europa, dieser Weg hier’, dabei deutete er auf den doppelt unterstrichenen Ausgang einer inzwischen unübersichtlichen Zeichnung, der da lautete Europa, ‚liegt allein in deinen Händen.’
    Ich nahm mir das zu Herzen, im Wissen, dass ja die Methode des Professors Erfolg gehabt hätte, wäre ich nicht ein paar Wochen zu spät bei meinem Onkel angekommen. Ich schaute mir also die wenigen Kundinnen genau an und plötzlich – ihr wisst ja bestens, wie das funktioniert – plötzlich sah ich diese willigen, fast auffordernden Blicke junger und weniger junger Frauen. Als wollten sie mir sagen: ‚Komm, Junge, frag mich. Ich wäre dabei, hast du eine Hütte oder ein Zelt? Oder willst du in mein Zimmer mitkommen? Ach nein, das geht ja nicht, das ist ja

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