Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
Wohnung in Chicago, das winzigste und billigste Apartment, das ich finden konnte. Aber ich wohne nie dort, es dient mehr als falsche Spur. Am ehesten könnte man wohl sagen, ich lebe in Atlanta, aber ich nehme jeden Auftrag an, den ich kriegen kann. Und ich verbringeselten mehr als eine Nacht an einem Ort.“
„Wie sollte er dich jetzt finden können, du trägst doch einen anderen Namen? Es sei denn, er findet heraus, wer dich adoptiert hat. Aber wie sollte er?“ Chance hatte es nur wegen des Vorfalls in Chicago herausgefunden, als man ihr die Kuriersendung gestohlen hatte. Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, wusste er auch schon, dass der Maulwurf im FBI wahrscheinlich genau dasselbe wie Chance getan hatte – nämlich tief in die Akten der Bürokratie eingetaucht war. Sunnys Deckung könnte aufgeflogen sein. Er fragte sich, ob sie es überhaupt ahnte.
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie. „Ich weiß nur, dass ich mich nicht sicher fühle, solange er lebt.“
„Was ist mit deiner Mutter? Und Margreta?“
„Mom ist tot.“ Sunny atmete tief ein, und Chance wusste, dass sie sich zusammennehmen musste, um weiterzureden. „Sie haben sie aufgespürt. Sie hat Selbstmord begangen, um nichts über uns zu verraten. Sie hat uns immer gesagt, dass sie das tun würde. Sie hat es wahr gemacht.“
Sunny brach ab, und Chance ließ ihr Zeit, sich zu sammeln. Schließlich fuhr sie mit tonloser Stimme fort. „Margreta lebt unter einem anderen Namen, den ich nicht kenne. Sie hat Probleme mit dem Herzen, daher ist es besser, wenn sie an einem Ort bleibt.“
Margreta lebte also ein relativ normales Leben, während Sunny immer in Bewegung blieb und ständig über die Schulter schauen musste. Sie kannte es nicht anders, von Geburt an. Aber was war in den Jahren bei den Millers, hatte sie da wenigstens normal gelebt?
Sunny beantwortete diese Fragen, bevor er sie stellen konnte. „Mir fehlt es, ein Heim zu haben“, sagte sie traurig. „Aber wenn man an einem Ort bleibt, dann lernt man die Leute kennen und baut Beziehungen auf. Ich darf niemanden diesem Risiko aussetzen.Gott bewahre, dass ich heirate und Kinder bekomme. Sollte Hauer das je herausfinden …“ Ein Schauder durchfuhr sie bei der Vorstellung, was Hauer denjenigen, die sie liebte, antun könnte, um die Antworten zu bekommen, die er so unbedingt haben wollte.
Eines ergibt allerdings keinen Sinn, dachte Chance. Hauer war bösartig und hinterlistig und würde also alles daransetzen, um seine Tochter zurückzuholen. Aber warum nur Margreta und nicht auch Sunny? „Wieso ist er eigentlich so auf deine Schwester fixiert?“
„Kannst du dir das nicht denken?“, fragte sie rau. „Deswegen ist Mom ja mit Margreta weggelaufen. Sie hat ihn dabei überrascht, wie er … nun, Dinge mit Margreta anstellte. Margreta war gerade mal vier. Inzwischen hatte Mom auch herausgefunden, was für ein Mann er wirklich war. Bis dahin hatte sie einfach nicht den Mut aufgebracht, ihn zu verlassen. Danach blieb ihr gar keine andere Wahl mehr.“ Sunnys Stimme war nur noch ein gequältes Flüstern. „Margreta erinnert sich daran …“
Chance wurde übel. Hauer war also nicht nur ein gewissenloser Mörder, sondern auch noch ein Vater, der die eigene Tochter missbraucht hatte. Diesen Dreckskerl einfach nur mit einer Kugel umzubringen, war viel zu gnädig.
Ausgelaugt durch die körperliche Anstrengung und den Gefühlstumult, glitt Sunny in den Schlaf. Chance hielt sie einfach nur fest und ließ sie ruhen. Eigentlich müsste er das Feuer schüren und mehr Holz nachlegen, aber … Sunny zu halten, war wichtiger.
Er glaubte jedes Wort ihrer Erzählung. Solch gewaltige Gefühle, wie sie sie gezeigt hatte, konnte niemand vortäuschen. Und jetzt passten auch alle Puzzle-Teilchen zusammen. Kaum zu fassen, welches Ausmaß seine Erleichterung annahm. Sunny war unschuldig. Sie hatte nichts mit ihrem Vater zu tun, kannte ihn nicht einmal persönlich, war ihr ganzes Lebenvor ihm weggelaufen. Deshalb schleppte sie auch das Zelt und die Überlebensausrüstung mit sich herum. Sie war darauf vorbereitet, von einer Sekunde auf die andere vom Erdboden zu verschwinden. Sie würde irgendwo in einem Wald hausen, bis sie glaubte, dass es sicher war, wieder hervorzukommen und von vorn anzufangen.
Sie hatte also gar keine Möglichkeit, mit Hauer in Kontakt zu treten. Sunny konnte höchstens als Köder dienen, um an Hauer heranzukommen. Angesichts ihrer Gefühle und der Meinung über ihren Vater
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