Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
Zeit. Da wusste Mom, dass etwas nicht stimmte, und rief den Notarzt. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht, und ich wurde per Kaiserschnitt geholt. Als sie noch halb betäubt von der Narkose war, fragte man sie nach dem Namen des Vaters. Sie konnte noch nicht klar denken und dachte sich also keinen Fantasienamen aus, sondern gab ihn an. Und so wurde ich registriert, und er erfuhr von mir.“
„Woher weißt du, dass er von dir weiß?“
„Einmal hat er mich fast erwischt.“ Sunny schauderte bei der Erinnerung, und Chance hielt sie fester. „Er schickte drei Männer. Wir waren damals in Indianapolis, glaube ich. Ich war fünf. Wir waren mit einem alten Auto unterwegs, das Mom gekauft hatte. Eigentlich waren wir immer unterwegs. Sie haben uns eingekeilt, mit ihren Wagen, im Verkehr. Mom sah sie aussteigen. Sie hatte Margreta und mir eingeschärft, was wir zu tun haben, wenn sie ‚rennt‘ schreien sollte. Sie zerrte uns aus dem Wagen und schrie: ‚rennt‘. Also rannte ich los, aber Margretabegann zu weinen und klammerte sich an Mom fest. Mom lief los, mit Margreta auf dem Arm. Zwei der Männer verfolgten sie, einer rannte hinter mir her.“ Sunny begann zu zittern. „Ich habe mich in einer Seitenstraße versteckt, zwischen Müllsäcken. Ich konnte ihn hören, wie er meinen Namen rief, ‚Sonia, Sonia‘, immer wieder, freundlich und lockend. Sie kannten also meinen Namen. Ich hab mich ganz still verhalten, und endlich ging er weg.“
„Wie hat deine Mutter dich wieder gefunden? Oder hat man sie gefasst?“
„Nein, sie und Margreta konnten auch entkommen. Mom hat sich selbst beigebracht, wie man auf der Straße überlebt. Wenn sie irgendwohin ging, hatte sie auch immer gleich einen Fluchtweg geplant.“
Chance nickte nur. Er wusste auch, wie man so etwas machte.
„Ich blieb in meinem Versteck. Mom hat uns immer gesagt, dass die bösen Männer manchmal lange blieben, um zu beobachten, ob vielleicht doch jemand aus dem Versteck kam. Also verhielt ich mich mucksmäuschenstill, weil ich Angst hatte, dass der Mann noch da sein könnte. Es war zwar nicht Winter, ich hatte keinen Mantel an, aber als die Nacht hereinbrach, fror ich erbärmlich. Ich hatte Angst und Hunger. Und ich wusste nicht, ob ich Mom je wiedersehen würde. Trotzdem blieb ich, und schließlich hörte ich sie nach mir rufen. Sie musste gesehen haben, in welche Richtung ich gerannt war, und suchte nach mir, sobald sie es für sicher hielt. Für mich war nur wichtig, dass sie mich fand. Nach diesem Vorfall entschied sie, dass es für uns nicht mehr sicher war, bei ihr zu bleiben. Also begann sie nach einer Familie zu suchen, die uns adoptieren würde.“
Chance runzelte die Stirn. Er hatte nur Adoptionsunterlagen für Sunny gefunden. „Seid ihr beide in einer Familie untergekommen?“
„Ja, aber nur ich wurde offiziell adoptiert. Margreta wollte nicht.“ Ihre Stimme wurde weich. „Sie … nun, sie hat ihre eigenen Erinnerungen. Sie hatte alles verloren, außer der Mutter. Deshalb klammerte sie sich auch mehr an Mom als ich. Es war sehr schwer für sie, sich einzugewöhnen.“ Sunny zuckte die Achseln. „Ich dagegen habe gelernt, mich so ziemlich jeder Situation anzupassen.“
Was wohl bedeuten sollte, dass sie nicht klammerte. Im Gegenteil, mit ihrem sonnigen Gemüt hatte sie Freude und Schönes gefunden, wo immer sie konnte. Chance drückte sie noch fester an sich. Wenigstens an ihm sollte sie sich festhalten können. „Du hast gesagt, er würde euch umbringen. Für mich hört es sich eher an, als wollte er euch unbedingt zurückhaben.“
Sunny schüttelte den Kopf. „Margreta wollte er zurück. Mich kannte er ja nicht. Mich benutzte er nur als Mittel, um Druck auf Mom auszuüben, ihm Margreta zu überlassen. Auch jetzt noch sucht er nur deshalb nach mir. Sollte er mich erwischen, wird er herausfinden, dass ich nicht weiß, wo Margreta sich aufhält. Und damit bin ich nutzlos für ihn.“
„Du weißt es nicht?“, fragte Chance verdutzt.
„So ist es sicherer. Ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.“ Sie merkte gar nicht, wie viel Sehnsucht in ihrer Stimme mitschwang. „Sie hat meine Handynummer und ruft mich einmal pro Woche an. Solange ich den Anruf annehme, weiß sie, dass alles in Ordnung ist.“
„Aber du weißt nicht, wie du sie erreichen kannst?“
„Nein. Was ich nicht weiß, kann ich auch nicht verraten. Ich bin ständig unterwegs, deshalb ist das Handy die beste Kontaktmöglichkeit für uns. Ich habe eine
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