Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
KAPITEL
D as Leben war an ihr vorübergezogen, ohne selbst wirklich zu leben. Dieser Gedanke ging Sunny unablässig durch den Kopf, während sie mechanisch Wäsche ausspülte und auf die heißen Steine zum Trocknen ausbreitete. Sie und Chance würden vielleicht nie aus dem Canyon herauskommen, und selbst wenn, so könnte es sehr lange dauern. Wochen, vielleicht sogar Monate. Bis dahin hatte Margreta längst alles Mögliche getan, und Sunny könnte sie nicht aufhalten. Zum ersten Mal im Leben konnte Sunny nur an sich und an das denken, was sie wollte. Das war einfach. Sie wollte Chance.
Sie musste sich den Tatsachen stellen. Damit hatte sie noch nie Probleme gehabt, das tat sie schon ihr ganzes Leben. Die Möglichkeit, dass sie hier in dem engen Canyon starben, war solch eine Tatsache. Und wenn sie schon nicht überlebten, so wollte Sunny wenigstens nicht zugrunde gehen, während sie sich an Regeln hielt, die nur da draußen Gültigkeit besaßen. Im Grunde hatte sie sich doch schon auf ihn eingelassen – sie kämpften zusammen ums Überleben. Jedenfalls wollte sie nicht aus der Welt scheiden, ohne zu wissen, wie es war, von ihm geliebt zu werden, in seinen Armen zu liegen, ihn zu halten und ihm zu sagen, dass sie ihn liebte. In sich trug sie so viel Liebe, die sie bisher niemandem hatte schenken können. Doch jetzt bot sich ihr eine Möglichkeit, und die würde Sunny nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Ein Psychoanalytiker hätte es wahrscheinlich auf die erzwungene Nähe zurückgeführt. Für Chance mochte das zum Teil zutreffen. Sunny war ziemlich sicher, dass er jede Frau haben konnte, wann immer er wollte. Denn Chance hatte eine Ausstrahlung, eine Aura von – auch sexueller – Selbstsicherheit, die Frauen anzog wie das Licht die Motten. Doch im Momentwar Sunny die einzige Motte weit und breit.
Wenn sie es bis nach Seattle geschafft hätten, dann wäre Sunny stark genug gewesen, seine Einladung abzulehnen und ihn einfach stehen zu lassen. Sie hätte sich nie erlaubt, ihm näher zu kommen.
Erst vor vierundzwanzig Stunden hatten sie sich kennengelernt, aber diese kurze Zeit war intensiver gewesen als alles, was Sunny bisher erlebt hatte. Sie nahm an, dass es in einem Kampfszenario ähnlich funktionierte. Man zog zusammen in die Schlacht, und die Gefahren, denen man gemeinsam ins Angesicht sah, schufen ein festes Band. In dieser Zeit hatte Sunny Dinge über Chance herausgefunden, die man normalerweise erst in Wochen erfuhr. Und diese Wochen hätte sie sich nicht zugestanden.
Unter den Eigenschaften, die sie an ihm entdeckte, gab es übrigens keine, die ihr missfiel. Chance war ein Mann, der es wagte, den Kopf aus der Menge hervorzustrecken. Er engagierte sich, sonst hätte er den Schwachkopf auf dem Flughafen nicht aufgehalten. In einer Krise blieb er ruhig und beherrscht, er war sich seiner Fähigkeiten bewusst und verließ sich darauf, und er war aufmerksamer als jeder andere, den sie kannte. Und als i-Tüpfelchen war er auch noch der attraktivste Mann, dem sie je begegnet war.
Die meisten Männer hätten nach dem, was sie von sich gegeben hatte, sofort an Sex gedacht. Nicht so Chance. Er hatte ihr nur einen unglaublich zärtlichen Kuss gegeben und dann gesagt: „Ich hole die restlichen Dinge aus dem Flugzeug, dann kann ich mich umziehen und dir meine schmutzigen Sachen zum Waschen geben.“
„Oh, herzlichen Dank“, hatte sie nur herausgebracht.
Und er hatte ihr zugeblinzelt und mit einem wunderbaren Lächeln geantwortet: „Keine Ursache, jederzeit gern.“
Er war ein Mann, der persönliche Bedürfnisse zurückstellteund sich erst um das Wesentliche kümmerte. Deshalb saß Sunny jetzt auf dem Boden und wusch seine Unterwäsche. Nicht gerade das Romantischste, was man sich vorstellen konnte. Trotzdem, es war eine höchst intime Aufgabe, die das Band zwischen ihnen nur festigte. Er arbeitete, um ihnen Nahrung zu beschaffen, sie sorgte dafür, dass sie saubere Kleidung hatten.
Bisher hatte Chance sich als absolut zuverlässig und hochanständig erwiesen. Wieso also verspürte Sunny trotzdem ein seltsames Gefühl … von Bedrohung? Rührte diese Aura von Gefahr vielleicht von seinem militärischen Training und gehörte deshalb immer zu ihm, ganz gleich, was er tat? Sie kannte keinen anderen Ranger, mit dem sie Chance hätte vergleichen können. Im Moment war sie einfach nur froh über sein Training. Es half ihnen zu überleben.
Nachdem seine Sachen so sauber waren, wie unter den gegebenen Umständen
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