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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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war bereit dazu. Doch Dietrich hielt den Zeitpunkt offenbar noch nicht für gekommen, mit Waffengewalt gegen seinen Bruder vorzugehen.
    Erleichtert über diesen Ausgang, fragte sich der Graf von Weißenfels im Stillen, ob er Lukas bitten sollte, auch ihm und Clara seinen Segen zu geben. Doch das war wohl noch zu früh. Er sollte sein Glück nicht zu sehr herausfordern. Vorerst musste er sich schon zufriedengeben, wenn der Mann, der für ihn stets ein Vorbild gewesen war und den er sehr schätzte, sich bereit zeigte, mit ihm zu sprechen, und die Zustimmung zu Thomas’ tollkühnem Plan gab.

Nächtlicher Besuch
    R utger wollte gerade in lautes Schimpfen ausbrechen, weil ihm niemand vom Gesinde das Pferd abnahm, als er spätabends und ziemlich betrunken aus dem Freiberger Hurenhaus heimkehrte. Da tauchte wie aus dem Nichts eine Gestalt aus der Dunkelheit auf und schickte ihn mit einem gut gezielten Schlag aufs Kinn zu Boden.
    Als Randolfs Sohn wieder zu sich kam, brauchte er einige Augenblicke, um seine Situation zu erfassen. Er lag nackt bis auf die Bruche, geknebelt und mit zusammengeschnürten Händen und Füßen auf seinem Bett. In der Kammer brannte eine Kerze, und so erkannte er blinzelnd, wer ihm gegenüber auf dem Schemel saß.
    Bei diesem Anblick wünschte er, der Boden würde aufreißen und den anderen verschlingen. Wütend versuchte er, sich aufzurichten und durch heftige Bewegungen die Fesseln zu lockern – vergeblich.
    »Bevor du Krach schlägst, denke wenigstens einmal in deinem Leben nach! Wirst du das schaffen?«, fragte Thomas und beugte sich zynisch lächelnd vor.
    Rutger gab ein paar knurrende Laute von sich und starrte den Erzfeind wütend an. Er hätte weniger trinken sollen!
    »Es wird dir niemand zu Hilfe kommen. Dein Gesinde liegt gut verschnürt und geknebelt im Stall, deine Männer sind von ein paar meiner thüringischen Freunde überwältigt worden. Wir haben also Zeit bis morgen früh, um zu plaudern.«
    Das stimmte nur zum Teil. Peter und Elfrieda, eine alte Bergmannswitwe, die als Magd im Haus arbeitete, seit Rutger hier eingezogen war, saßen nebenan und freuten sich diebisch. Und Rutgers Reisige zu überwältigen, hatten ihm Kuno und Bertram geholfen, nachdem Elfrieda den Reitknechten reichlich Schlafmittel ins Bier gemischt hatte – von Clara dafür beigesteuert. Das mit den thüringischen Freunden war nur eine Ablenkung, um seine Freiberger Verbündeten zu schützen.
    »Damit diese Unterhaltung nicht so einseitig wird, nehme ich dir jetzt den Knebel ab«, fuhr er fort. »Du wirst doch nicht die Nachbarschaft herbeirufen wollen, damit alle dich so sehen: nackt, in Fesseln und in deiner ganzen Kläglichkeit … Und ich würde dir natürlich auf der Stelle die Kehle durchschneiden.«
    Betont gelassen stemmte er sich hoch und ging auf seinen Gefangenen zu, den Dolch demonstrativ in der Rechten. Er löste den Knebel, bereit, Rutger sofort die Hand auf den Mund zu pressen, sollte er um Hilfe rufen. Aber er hatte den Feind richtig eingeschätzt: Sein Überlebenswillen und vor allem seine Eitelkeit hielten Rutger davon ab, um Hilfe zu schreien. Die Demütigung wäre zu groß.
    »Was willst du?«, fuhr der Überwältigte den Eindringling an. Ihm war klar, dass Thomas ihn längst hätte töten können, wenn er das wollte. Da er es nicht getan hatte, musste etwas anderes als nur Rachsucht hinter diesem Besuch stecken. Das würde er herausfinden und am Morgen grausam Rache nehmen an allen, die er verdächtigte, diesem Bastard geholfen zu haben.
    »Ich wollte mit eigenen Augen sehen, wie du dich in meinem Haus eingenistet hast«, erklärte Thomas und zog sich einen Schemel heran.
    »Dein Haus?«, brachte Rutger abfällig heraus und spie auf den Boden.
    Thomas beugte sich mit einer blitzschnellen Bewegung vor und packte den Gefangenen am roten Haarschopf.
    »Es ist
mein
Haus. Mein Vater ließ es bauen, und es ist mein rechtmäßiges Erbe. Eines Tages ändern sich die Zeiten, und ich werde dich mit meinem Schwert daraus vertreiben.«
    Er ließ Rutger los und stieß ihn zurück aufs Bett. »Und bis dahin geh ordentlich mit meinem Eigentum um!«
    »Dein Vater war ein Bastard!«
    »Deiner ein Verräter. Was ist wohl schlimmer?«
    »Dafür töte ich dich!« Blanker Hass sprühte aus Rutgers Augen, sein Gesicht war vor Wut verzerrt.
    Thomas gab sich belustigt. »Nackt und waffenlos?«
    »Falls du je den Mut aufbringen solltest, mir gegenüberzutreten, wenn ich Waffen trage. Aber dazu bist du

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