Der Traum der Hebamme / Roman
längere Unterredung bevor.
»Seid Ihr im Bilde über den Rachefeldzug meines Bruders nach der Niederlage von Weißenfels?«, fragte der Graf.
Lukas schüttelte den Kopf. »Den ganzen Winter lang saßen wir in Eisenach fest, und Landgraf Hermann pflegt mich nicht einzuweihen, was ihm seine Spione berichten.«
»Mein Bruder wütet grausamer denn je, und sein Misstrauen ist allumfassend«, begann Dietrich. »Nach seiner Rückkehr ließ er meine Mutter zu sich beordern und vor ihren Augen den Seußlitzer Burgkommandanten hinrichten.«
»Lothar?«, fragte Lukas bestürzt und bekreuzigte sich, als Dietrich nickte. »Er hatte mich heimlich zu Eurer Mutter geführt, als ich vor zwei Jahren nach meiner Frau suchte. Gott sei seiner Seele gnädig!«
»Jetzt hält Albrecht meine Mutter unter noch strengeren Bedingungen auf Seußlitz fest, und es ist mir beinahe unmöglich, Verbindung mit ihr zu halten.«
»Beinahe?«
Dietrich lächelte knapp. »Es muss uns genügen, dass sie mich verständigen kann, wenn Gefahr für sie droht. Unser gemeinsamer Bekannter Ludmillus musiziert dort ab und zu. Bewacht wird sie von Euerm Schwager Gerald, und auf dessen Nachsicht dürfen wir nicht hoffen.«
»Gerald ist nicht mehr Marschall?«, fragte Lukas verblüfft. Er hatte den Bruder seiner ersten, ungeliebten Ehefrau für jemanden gehalten, der sich mit allen Mitteln Albrechts Wohlwollen zu sichern versuchte. War er etwa in Ungnade gefallen?
»Euer Schwager wurde in der Schlacht zu schwer verletzt, als dass er vorerst dieses Amt ausüben könnte. Deshalb schickte ihn mein Bruder nach Seußlitz. Er traut niemandem mehr außer seinem Truchsess, den er nun auch noch zum Marschall ernannte, und seinem fetten Schenken. Vielleicht auch dem Gelehrten, denn dieser hat anscheinend mit gewissen Elixieren bewirkt, dass Sophia schwanger wurde. Doch sie konnte das Kind erneut nicht austragen, was die Stimmung auf dem Meißner Burgberg noch gefährlicher macht.«
Dietrich trank einen Schluck, lehnte sich zurück und sah Lukas direkt in die Augen, als er weitersprach. »Es ist noch jemand von Euren Verwandten auf Seußlitz: Jakob, Euer Neffe und einstiger Knappe. Sein Vater, Euer Bruder, darf seine Ländereien nicht verlassen, zur Strafe dafür, dass er sich weigerte, Raimund zu foltern. Von Euerm Neffen verlangt Albrecht Spitzeldienste auf Seußlitz, die sich gegen meine Mutter richten. Und Eure Nichte Luitgard …«
Er hielt inne und sah Lukas an. »Habt Ihr davon gehört?«
Marthe stieß einen dumpfen Laut aus, und nun machte sich auf Lukas auf schlimmste Nachrichten gefasst. »Wovon gehört?«
»Nach allem, was wir wissen, hat der Markgraf sie in sein Bett gezwungen. Vielleicht auch Elmar, das ist nicht gewiss. Jedenfalls fand man am nächsten Tag ihren Leichnam zerschmettert unterhalb des Burgberges.«
»Sie war erst zwölf!«, stöhnte Lukas und grub sich die Hände ins Haar.
»Hat man ihr wenigstens ein christliches Begräbnis gewährt?«, fragte Marthe mit brüchiger Stimme, der sofort schreckliche eigene Erinnerungen und die Geschichte einer anderen Luitgard vor Augen standen.
»Ja, um den Eindruck zu erwecken, es habe sich um einen Unfall gehandelt, vermutlich auf Elmars Betreiben. Mein Bruder bringt seine Ritterschaft in einem Maße gegen sich auf, dass er sich langsam fragen muss, ob sie noch zu ihm steht, wenn es hart auf hart kommt.«
»Könnte uns das Jakob zum Verbündeten machen? Ich weiß, Tapferkeit und Treue sind nicht gerade seine größten Tugenden, aber das dürfte seine Einstellung doch ändern. Soll ich unerkannt zu ihm reiten und mit ihm sprechen?«, bot Lukas an.
Dietrich schüttelte energisch den Kopf. »Einer der Söhne meines Burgkommandanten war die ganzen letzten Wochen unterwegs, um die Lage in der Mark Meißen zu erkunden. Dabei suchte er auch Euern Bruder auf. Jakob wagt nicht, etwas zu unternehmen, um nicht auch noch seinen Jungen in Gefahr zu bringen. Doch er schwor Verschwiegenheit und bat, Euch ausdrücklich auszurichten, nicht auf die Güter Eures Vaters zu kommen, weil Elmar Euch dort auflauern lässt. Nur deshalb ist Euer Bruder überhaupt am Leben: als Köder. Nie war Elmar begieriger auf Euern Tod.«
Bekümmert rieb sich Lukas den Bart.
»Ich hasse es, nichts tun zu können«, meinte er. »Aber wie es aussieht, können wir derzeit wirklich nichts unternehmen. Welche Neuigkeiten habt Ihr aus Freiberg?«
Dietrich lächelte verhalten. »Von dort erreichen uns etwas mehr Nachrichten, dank Eurer
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