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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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gewesen. Das hier würde ein ausgewachsener Krieg werden.
    Entsprechend wimmelte es auch auf der Wartburg und in Eisenach von kampfbereiten Männern, die aus dem ganzen Land gekommen waren, um dem Fürsten Heeresfolge zu leisten.
    Hermann wusste bereits von seinen Spionen, dass das feindliche Heer Richtung Weißenfels vorrückte. Doch selbst der so nüchtern denkende Landgraf von Thüringen verlor die Farbe im Gesicht, als er den Geblendeten sah und erfuhr, was in Meißen geschehen war.
    »Das war eine Kriegserklärung auch an uns!«, stellte er nach einem Moment des Schweigens fest. Dann wies er an, der Mann habe auf seiner Burg die denkbar beste Pflege zu erhalten, und sagte zu seinem Marschall: »Das bricht Albrecht das Genick! Er wird die Gnade des Kaisers verlieren.«
    Heinrich von Eckartsberga nickte zustimmend. »Ja, und es wird uns noch mehr Männer auf unsere Seite treiben, sämtliche kaiserlichen Dienstmannen. Die Herren von Colditz, von Krosigk, von Vesta, Gleißberg und Meldingen – sie werden nicht zögern, mit uns in den Kampf zu ziehen. Soll ich Boten zu ihnen schicken?«
    »Tut das!«, stimmte Hermann zu, der über sein militärisches Vorgehen schon entschieden hatte. »Wir selbst dürfen keine Zeit verlieren, mein Schwiegersohn ist in Bedrängnis. Wir brechen morgen früh auf. Zuerst erobern wir die Camburg, dann rücken wir vor gen Weißenfels, meinem Schwiegersohn zu Hilfe. Dort soll zu uns stoßen, wer sich auf unsere Seite stellen will.«
    Für die schnelle Einnahme der Camburg hatte er längst Vorsorge getroffen. Die mächtige Befestigung als vorgeschobener Außenposten des Wettiners saß ihm schon lange wie ein Stachel im Fleische. Drei Männer der Burgwache standen deshalb insgeheim in seinen Diensten und warteten nur auf das Zeichen, den Thüringern die Tore zu öffnen.

Zwiegespräch
    N achdem die thüringische Streitmacht aufgebrochen war, wirkte die Wartburg auf einmal wie verlassen, beinahe menschenleer auf den ersten Blick. Zwar waren immer noch jede Menge Frauen, Kinder, Knechte und auch einige ältere Wachen zur Verteidigung dort, aber nach dem Abzug der Männer schienen die Verbliebenen allesamt in ihren Kammern, in der Küche oder den fast leeren Ställen in düstere Gedanken versunken.
    Clara war beauftragt worden, sich um die schorfigen Augenhöhlen des Geblendeten zu kümmern. Zu aller Erstaunen zog Marthe diesmal mit dem Tross, um nach der unausweichlich scheinenden Schlacht die Verletzten zu versorgen.
    Clara verstand diesen Wunsch ihrer Mutter besser als alle anderen hier, abgesehen vielleicht von ihrem Stiefvater und Thomas. Was jetzt kam, war vermutlich noch nicht die endgültige Entscheidung, so fühlte es sich nicht an …
    Aber es konnte der Anfang vom Ende sein.
    Wenn sie nicht so kurz vor der Entbindung stünde, wäre sie am liebsten auch mitgezogen.
    Doch ihre Zeit rückte heran, das Ungeborene in ihrem Leib hatte sich schon vor drei Wochen gesenkt. Außerdem musste sie sich um die Kinder kümmern, um Änne, Dietrich und ihre Stiefgeschwister.
    Zusammen mit Lukas und Thomas war diesmal auch Daniel in den Kampf geritten, ihr jüngerer Bruder, der nun neunzehn Jahre zählte. Ein Knappe noch, aber einer, der sein Bestes gab, um dem Ruf seines Vaters, seines Stiefvaters und seines älteren Bruders gerecht zu werden. Eine Bürde, die ihm zu schaffen machte, wie er Clara gestanden hatte.
    Doch Paul, der junge Lukas und ihr kleiner Bruder Konrad waren auf der Wartburg geblieben.
    Die lärmenden Kinder lenkten Clara davon ab, wie einsam sie sich fühlte. Schlimmer war es nur gewesen, als sie mit Reinhard an Albrechts Hof auf dem Meißner Burgberg leben musste und jedermann sie mied.
    Dietrich war gleich am Morgen nach ihrer Ankunft in Eisenach wieder aufgebrochen, um Weißenfels zu verteidigen. Er rechnete jeden Tag mit dem Eintreffen von Albrechts Streitmacht. Gott schütze dich!, betete sie in Gedanken.
    Der Kuss, den er ihr zum Abschied gegeben hatte, würde der letzte Kuss zwischen ihnen gewesen sein – das hatte Clara viel eher begriffen als er.
    Falls Dietrich die Kämpfe überlebte, musste er nach seiner Rückkehr Jutta heiraten. Und Clara war zwar bereit gewesen, seine Geliebte zu werden. Aber eine Ehebrecherin konnte sie nicht sein.
    Hier auf der Wartburg wurde sie insgeheim ohnehin schon mit schiefen Blicken angesehen – so, als hätte sie der Landgrafentochter etwas weggenommen, das ihr gehörte, unabhängig davon, dass Jutta immer noch fast ein Kind

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