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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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auf Nimmerwiedersehen verlassen!«
     
    Burchard und seine Begleiter führten den wankenden Blinden über den Hof. Erschrockene oder mitleidige Blicke folgten ihnen; mancher, der die Szene beobachtete, bekreuzigte sich verstohlen, doch niemand wagte es, zu ihnen zu gehen und Hilfe anzubieten.
    »Holt unsere Pferde und wartet mit ihnen vor dem Palas des Burggrafen!«, befahl Salza den entsetzten Knappen. Den Ältesten von ihnen wies er an: »Du lauf voraus und sorge dafür, dass wir schnell Hilfe bekommen!« Der Junge nickte und rannte sofort los.
    »Nur ein paar Schritte! Der Burggraf wird Euch helfen und Eure Wunden versorgen lassen«, versuchte Salza, den verstümmelten Gefährten zu beruhigen.
    Der burggräfliche Bezirk war der vorderste auf dem Meißner Burgberg und Burggraf Meinher von Werben vom Kaiser eingesetzt, um die Burg zu schützen. Zwischen ihm und dem Markgrafen herrschte eine naturgegebene Rivalität, ebenso mit dem Bischof, dem dritten Machthaber auf dem Burgberg.
    Als sich die Thüringer dem Palas des Burggrafen näherten, kamen ihnen schon zwei Diener entgegengerannt, die sie in einen ebenerdigen Raum brachten. Vorsichtig führten sie den Verstümmelten zu einer Bank und begannen, ihm das Blut vom Gesicht zu waschen. Ein Mönch kam herein, schickte die Diener los, um mehr Wasser und sauberes Leinen zu holen, und nahm sich des Geblendeten an. Er sprach ein Gebet, dann gab er Bernhard erst einmal viel zu trinken; Wein, in den er ein betäubendes Elixier träufelte.
    Salza vergewisserte sich, dass sein furchtbar zugerichteter Wegbegleiter vorerst in guten Händen war, und wollte eine Audienz beim Burggrafen erbitten, um ihm von dem ungeheuerlichen Vorfall zu berichten.
    Doch das war nicht nötig: Meinher von Werben stand bereits in der Tür, als Salza losgehen wollte.
    »Wenn der Markgraf nach diesem Vorfall wirklich noch Krieg gegen seiner Bruder führt, wird er die gesamte Ministerialität gegen sich haben«, erklärte der Burggraf sofort. »Ich schicke Boten aus, die den Getreuen des Kaisers von dieser abscheulichen Bluttat berichten. Lasst den Mann hier, ich sorge dafür, dass er die beste Pflege bekommt. Ihr berichtet in Thüringen, was hier geschah.«
    »Nein!«, widersprach Bernhard mit brüchiger Stimme. Seine Hände tasteten die Bank ab, auf der er saß. »Ich werde mit nach Thüringen reiten. Jedermann soll sehen, welches Unrecht dieser Tyrann begangen hat!«
    Er wandte den Kopf in die Richtung, in der er Burchard von Salza vermutete. »Ihr müsst mir helfen … auf mein Pferd zu kommen … seine Zügel führen … Ich werde nicht hierbleiben, bis meinen Wunden heilen. Wie auch?«, meinte er bitter. »Die Augen wachsen nicht nach.«
    Beim Tasten war er an den Knauf seines Schwertes gestoßen, das jemand mitleidig und ohne nachzudenken auf die Bank gelegt hatte. Unsicher erspürte er den Griff der Waffe, zog sie an sich und legte sie auf seinen Schoß.
    Er würde nie wieder das Schwert führen, begriff er dabei. Er würde nie wieder kämpfen. Denn er würde nie wieder sehen. Und Blinde wurden nicht alt, wenn niemand für sie sorgte. Selbst wenn seine Wunden verheilten, statt zu eitern, war ihm kein langes Leben mehr beschieden. So wollte er die ihm verbleibenden Tage wenigstens nutzen, um mit dem Anblick der zwei blutigen Löcher in seinem erstarrten Gesicht so viele Bewaffnete gegen Albrecht aufzubringen, dass dieser ein für alle Mal geschlagen wurde.
    »Wollt Ihr das wirklich auf Euch nehmen?«, fragte der Mönch besorgt. »Ruhe täte Euch jetzt gut.«
    »Nein!«
    »Wie Ihr meint«, brummte der Heilkundige und band ihm ein in kühles Wasser getränktes Tuch um den Kopf, über die Stellen, wo noch vor einer Stunde seine Augen gewesen waren.
     
    Da der Geblendete sich nicht ohne Hilfe bewegen konnte, sein Pferd am Zügel geführt werden musste, er nachts nur mit Mühe einschlief und oft qualvoll schreiend aus dem Schlaf erwachte, brauchten sie zwei Tage länger als geplant, bis sie Eisenach erreichten.
    Unterwegs mussten sie sich auf einem Seitenweg verstecken, denn Albrechts Streitmacht – schon auf dem Weg nach Weißenfels – überholte sie.
    Es dauerte beinahe einen halben Tag, bis die vielen Reiter, das Fußvolk und die Trosskarren an ihnen vorbeigezogen waren.
    »Das sind mehr als zweitausend Mann«, stellte Burchard fest, als das Heer endlich außer Sichtweite war. »Gott steh Graf Dietrich bei!«
    Dagegen war der Kampf um Weißenfels vor knapp drei Jahren nur ein Geplänkel

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