Der Traum der Hebamme / Roman
Fürsten auf und legte ihm seinen Tasselmantel über die Schultern, um die beschmutzte Kleidung zu bedecken.
»Ich habe angewiesen, dass niemand die Halle verlassen oder betreten darf, damit wir den Schuldigen finden«, erklärte er Elmar. »Begleite Seine Hoheit, und ich kümmere mich derweil hier um diese Sache.«
»Gut!«, erwiderte dieser zu Geralds Erleichterung.
Er wies zwei der Leibwachen an, den Markgrafen zu stützen, und lief selbst voran.
In der Halle richteten sich sofort aller Augen auf den Truchsess.
»Auf unseren Fürsten ist ein Giftanschlag verübt worden, hier in Freiberg«, brüllte Elmar. »Dank des allmächtigen Herrn lebt unser Herrscher und wird umgehend nach Meißen reiten. Doch Freiberg soll für diesen Verrat mit einem Strafgericht heimgesucht werden. Wenn wir fort sind, werdet ihr das gesamte Küchengesinde, sämtliche Ratsherren und zweihundert willkürlich gewählte Geiseln aufhängen! Danach zerstört die Wehranlagen. Freiberg wird niedergelegt.«
Gerald trat neben Elmar und sagte ebenso entschlossen: »Zunächst aber gilt mein Befehl weiter. Bis der Schuldige gefunden ist und gestanden hat, verlässt niemand von euch die Halle. Und nun kniet nieder vor Euerm Herrscher, Markgraf Albrecht von Meißen, und seiner Gemahlin Sophia.«
Kniend verfolgten die Männer, wie der Fürst, der sich nur mit Hilfe der zwei Leibwachen auf den Beinen halten konnte, die Fürstin, der Truchsess und ein Dutzend Wachen den Saal durchquerten. Der Pater in seiner nun auch noch nach Urin stinkenden Kutte schlich sich fort, nachdem der Truchsess und die Leibwachen zur Tür hinaus waren.
Der Alchimist folgte als Letzter. Als Eustasius an Gerald vorbeiging, hielt er kurz inne und raunte: »Der Fürst wird Meißen nie erreichen. Mein Wort als Leibarzt: Er schafft es keine zehn Meilen weit.«
Gottes Mühlen
K aum waren Albrecht und seine Begleiter draußen, ließ Gerald die Türen erneut verriegeln und atmete tief durch.
Jetzt ging es ums Ganze.
Er rief den verängstigten Burgvogt zu sich und sagte leise zu ihm: »Ihr wollt doch nicht, dass diese Burg und damit auch Euer Amt zerstört wird? Dann stellt Euch jetzt auf meine Seite.«
Verwirrt starrte Heinrich ihn an, aber mit seinem bauernschlauen Verstand begriff er schnell.
»Ich setze hiermit die Befehle des Truchsessen außer Kraft«, rief der Marschall laut in die Halle. »Solange Albrecht lebt, besteht kein Anlass für eine Strafaktion gegen Freiberg. Den Giftmischer werden wir aufspüren. Sollte Albrecht sterben, erlischt das Amt des Truchsessen, wodurch Elmar keine Befugnis mehr hat, solche Weisungen zu erteilen.«
»Dann erlischt auch das Amt des Marschalls und damit Eure Befehlsgewalt«, rief jemand aus der Nähe der Treppe – Berthold, der Herr eines der Nachbardörfer von Freiberg, wie Gerald erkannte.
»Aber es erlischt
nicht
die Befehlsgewalt dieses Mannes«, antwortete er und wies auf den Burgvogt.
»Auch er ist Burgvogt von Albrechts Gnaden«, widersprach Bertholds Nachbar und Freund Conrad, der Herr von Conradsdorf.
Der stämmige Heinrich begriff, dass er diesmal wohl alles wagen musste, um sein Amt zu behalten, und reckte sich, um größer zu wirken. »Ich habe den Befehl des
Kaisers,
diese Burg zu schützen. Wenn ihr sie also zerstören wollt, lehnt ihr euch gegen den Kaiser auf!«
Das war zwar übertrieben, aber nicht völlig gelogen. Da der Kaiser immerhin seit Jahren Interesse an seinen geheimen Berichten über das Geschehen in der Mark Meißen und insbesondere in der Silberstadt Freiberg hegte, konnte er bei etwas großzügiger Auslegung der Dinge durchaus behaupten, in dessen Auftrag zu handeln.
»Der Kaiser ist weit weg, und niemand weiß, ob Ihr die Wahrheit sagt«, rief Berthold. »Weshalb sollten wir gegen Elmars Befehle verstoßen?«
»Weil wir euch sonst mit Waffengewalt daran hindern«, dröhnte Boris von Zbor und zog sein Schwert. Die Ritter in seiner Begleitung taten es ihm nach.
Lukas trat drei Schritte vor. »Die meisten von euch haben schon unter meinem Kommando diese Stadt und diese Burg verteidigt«, rief er. »Lasst nicht zu, dass sie zerstört und ihre Bewohner hingeschlachtet werden!«
Seine Worte lösten einen Tumult aus. Niemand hatte hier mit Lukas gerechnet; die meisten wussten nicht einmal, dass er noch lebte.
»Du bist der Giftmischer!«, brachte der Herr von Bertholdsdorf fassungslos heraus und streckte anklagend die Hand aus.
»Ihr alle kennt mich und wisst, ich würde nie zu Gift greifen,
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