Der Traum der Hebamme / Roman
nicht bestens vertraut war.
So bekam sie einen Vorwand, mit ihrem Gefolge ins Muldental zu reiten und dort bei einem unbelauschten Gespräch mit Raimunds Gemahlin die Bemerkung fallenzulassen, der Hengst werde für den in spätestens zehn Tagen bevorstehenden Kriegszug gen Weißenfels benötigt. Das war vor einer Woche gewesen. Sie war sich sicher, dass Elisabeth ihrem Mann sofort davon erzählen würde und dieser eine Warnung nach Weißenfels schickte. So konnte ihr Schwager gleich bei seiner Rückkehr die Burg in verteidigungsbereiten Zustand versetzen und Truppen aufstellen. Für Albrecht, der mit einem leichten, schnellen Sieg rechnete, würde das eine böse Überraschung werden.
Sterbens soll er!, betete sie stumm. Gott, erbarme dich meiner und schicke diesen Teufel dorthin, wo er hingehört!
Ich hätte doch besser den Grauschimmel nehmen sollen. Das war ein wunderschönes, gut gebautes und temperamentvolles Tier. Doch Raimund hatte gesagt, der Graue sei unverkäuflich und noch nicht fertig ausgebildet.
Am Ende hatte Albrecht alle seine kampfbereiten Pferde für sich gefordert.
Ja, ich hätte darauf bestehen sollen, dass er mir den Grauschimmel gibt. Der wilde Hengst würde das Ungeheuer vielleicht aus dem Sattel werfen und zu Tode stampfen.
Diese Vorstellung half ihr, mit Erlaubnis ihres Gemahls den Saal zu verlassen, nachdem sie das Gebräu ausgetrunken hatte, ohne sich etwas von ihrem Hass anmerken zu lassen. Und auch nichts von der Erleichterung, dass sie heute allein in ihrem Bett bleiben durfte.
Zwischenfall in Freiberg
B efreit von jeglichen Zweifeln, im Hochgefühl nach einer Nacht wilder Ausschweifungen, ritt Albrecht am nächsten Morgen mit zweihundert schwerbewaffneten Männern in den Krieg. Zusammen mit Elmar und Gerald, seinem Marschall, hatte er beraten und angeordnet, dass sie ohne Trosskarren reisten. Alles, was sie brauchten, musste auf Packpferden untergebracht werden. Oder sie würden es sich von den Ländereien seines Bruders holen. Der Tross hielt nur auf, und um schnell voranzukommen, verzichtete er dieses Mal gern auf manche Bequemlichkeit. Er wollte seinen verhassten Rivalen überrumpeln, dessen kärgliche Anhängerschaft überrennen und vernichten, noch bevor sie wussten, wie ihnen geschah. Dafür benötigten sie kein schweres Belagerungsgerät. Seine entschlossenen Ritter und Bogenschützen würden genügen.
Am Nachmittag erreichte der nicht enden wollende Reiterzug Freiberg. Albrecht hätte die fünfzig zusätzlichen Kämpfer auch nach Meißen beordern können, doch hier im reichen Freiberg wollte er sich mit Silber und Proviant versorgen und den kriecherischen Burgvogt noch einmal nachdrücklich ermahnen, auch in seiner Abwesenheit jeden seiner Befehle getreulich zu erfüllen.
Burgvogt Heinrich hatte bereits Tage zuvor Anweisungen erhalten, und so hielt niemand sie auf, als sie das Meißner Tor passierten und zur Burg ritten. Ein paar Gaffer in den Gassen verzogen sich hastig angesichts der furchteinflößenden Streitmacht mit dem markgräflichen Banner. Türen wurden verriegelt, Kinder ins Haus gezerrt, Hühner und ein paar Schweine, die im Schlamm nach Fressen suchten, schleunigst in die umzäunten Höfe getrieben.
Auf der Burg war alles vorbereitet, damit der Fürst und seine Gefolgsleute hier speisen und übernachten konnten. Die fünfzig Bewaffneten, die sich ihnen noch anschließen würden, standen auf dem Hof aufgereiht und begrüßten ihren Feldherrn mit einem kräftigen »Vivat!«, bevor sie vor ihm niederknieten.
Christian, der junge Stallmeister der Burg, hatte am Vortag Order erhalten, alles Nötige für die Ankunft einer solch großen Schar zu veranlassen, auch wenn er angeblich nicht wusste, wohin die Männer reiten würden.
Also hatte er mit Zustimmung des Burgvogtes zusätzlich Futter und Stroh herangeschafft, noch ein halbes Dutzend Stallknechte in Dienst genommen und vor der Burg, gleich hinter den Wällen, ein Stück freies Feld als Koppel einzäunen lassen.
Trotz des Gewimmels von Männern und Pferden schafften es seine Leute, auf dem Burghof einigermaßen für Ordnung zu sorgen. Er selbst kümmerte sich um den Schimmel des Fürsten, den der Burgvogt persönlich am Zügel Richtung Stall geführt hatte, solange Albrecht auf dem Burghof stand.
Christian war heilfroh über den Diensteifer und die Unterwürfigkeit des ansonsten so gnadenlosen Vogtes, denn das ersparte ihm eine unmittelbare Begegnung mit dem Markgrafen. Auch wenn er jetzt als Stallmeister
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