Der Traum der Hebamme / Roman
genug.
»Ich soll Euch ausrichten, dass Ihr keine Chance habt«, antwortete er niedergeschlagen. »Entweder Ihr ergebt Euch gleich und bekommt freien Abzug, oder Ihr werdet vernichtet. Das sind die Worte Eures Bruders.«
»Ich gehe davon aus, dass dieses Angebot
meines Bruders
nicht für mich gilt«, meinte Dietrich kaltblütig. »Und dass er auch meine Leute nicht ungeschoren ziehen lässt. Er war noch nie gut darin, sein Wort zu halten. Geht zurück ins Lager, Raimund, und richtet aus: Ich unterbreite ein Gegenangebot. Ich fordere Albrecht zu einem Zweikampf mit dem Schwert heraus, gleich hier vor dem Tor. Der Sieger wird Herrscher von Weißenfels.«
Dietrichs unerwarteter Vorschlag sorgte sofort für Aufruhr unter seinen Männern. Doch noch bevor jemand seinen Protest laut ausdrücken konnte, unterband Dietrich mit einer gebieterischen Handbewegung jede Äußerung.
»Ich gedenke nicht, das zu diskutieren. Raimund, überbringt meinem Bruder dieses Angebot! Jetzt sofort. Es gilt bis zum nächsten Glockenläuten.«
Der Ritter aus dem Muldental erhob sich. »Er wird nicht darauf eingehen, Hoheit. Er ist sich seiner Sache sehr sicher«, sagte Raimund, schon im Gehen.
»Ich muss es wenigstens versucht haben, um denen Leid zu ersparen, die unter meinem Schutz stehen«, erwiderte Dietrich. »Und wenn Ihr mir einen persönlichen Gefallen tun wollt: Bringt mir schnell Antwort. So schnell Ihr könnt.«
Erst nachdem Raimund die Tür hinter sich geschlossen hatte, forderte Dietrich seine Männer auf: »Nun könnt Ihr Eure Einwände vortragen.«
»Das könnt Ihr unmöglich riskieren!«, platzte Norbert sofort heraus.
»Habt Ihr so wenig Vertrauen in mein Kampfgeschick? Fürchtet Ihr, ich könnte unterliegen und ihr alle getötet werden?«, fragte Dietrich beinahe spöttisch.
»Ich fürchte, Ihr könntet in eine Falle gelockt und getötet werden«, stellte der hagere Burgkommandant nachdrücklich klar. »Ihr sagt selbst, Euerm Bruder kann man nicht trauen. Was sollte ihn daran hindern, Euch von seinen Männern umzingeln und abstechen zu lassen?«
»Außerdem verliert Ihr Zeit, Hoheit!«, mahnte der Verwalter. »Wenn Ihr mit der thüringischen Streitmacht hier sein wollt, bevor die Verstärkung aus Meißen eintrifft, müsst Ihr unverzüglich aufbrechen. Was, wenn Ihr fort seid und der Markgraf doch noch auf Eure Herausforderung eingeht? Er wird Euch der Feigheit bezichtigen, wenn Ihr nicht auftaucht.«
»Deshalb bat ich Raimund um schnelle Antwort«, erinnerte Dietrich. »Wenn mein Bruder annimmt, tragen wir die Sache umgehend aus, ein für alle Mal, und ersparen vielen Menschen den Tod. Wenn er ablehnt, reite ich nach Thüringen, wie Ihr es geplant habt.«
»Er würde nie einem Zweikampf zustimmen«, meinte Thomas verächtlich. »Warum sollte er sich solch einer Gefahr aussetzen? Er weiß, wer Eure Lehrmeister waren, und kennt Euern Ruf als Kämpfer.«
Nun beschwor der junge Ritter seinen Anführer mit halb erhobenen Händen: »Bietet ihm nicht die Gelegenheit zu einem Hinterhalt!«
»Ich wäre mir da nicht so sicher«, sagte Lukas zu aller Überraschung. »Einen Hinterhalt müssen wir fürchten, natürlich, und uns entsprechend vorbereiten. Doch Albrecht ist nicht feige. Im Gegenteil. Er neigt dazu, sich maßlos zu überschätzen, und hält sich für unfehlbar. Die Vorstellung wäre sicher verlockend für ihn, Euch auf der Stelle und in einem von Euch gewünschten Zweikampf aus dem Weg zu räumen. Wenn es misslingt, hat er immer noch seine Handlanger. Es wird dann unsere Aufgabe sein, sie im Zaum zu halten.«
Von all den Rittern in der Kammer war Lukas wahrscheinlich der Einzige, der genau begriff, welches Wagnis Dietrich einzugehen bereit war und warum er das tat. Albrecht entschied oft aus einer Laune heraus, und die Aussicht, Dietrichs Besitz noch vor dem Mittag an sich zu reißen und den Jüngeren gänzlich aus dem Weg zu räumen, könnte ihm genug Anreiz geben, zum Zweikampf anzutreten.
Gelassen stand Lukas auf. »Soll ich Euch für einige Aufwärmübungen bereitstehen?«
»Das ist der beste Vorschlag, der an diesem Morgen gemacht wurde!«, stimmte Dietrich zu, erleichtert darüber, dass Lukas dachte wie er und ihn unterstützte. Er stand ebenfalls auf und griff nach seinem Schwert. »Ihr anderen haltet inzwischen Ausschau nach dem Boten und trefft alle Vorbereitungen für den Ausfall Richtung Eisenach!«
Es war nicht einfach für die beiden Männer, einen Platz für ihren Übungskampf zu finden.
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