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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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dabei zumute, als müsste er vor Scham und Kummer im Boden versinken.
    »Der Markgraf bietet allen freien Abzug, wenn ihm die Burg heute noch übergeben wird. Er gewährt Euch eine Frist bis Sonnenuntergang«, rief Raimund von Muldental herauf.
    Zu Dietrich gewandt, sagte Lukas leise: »Wenn ausgerechnet Raimund diese Botschaft überbringt, steckt etwas dahinter … eine List … oder eine geheime Nachricht. Und ich würde gern herausfinden, was das ist. Vielleicht will er sich uns auch anschließen.«
    »Lasst ihn herein!«, befahl der Graf. Er kannte Raimund seit seiner Knappenzeit; er war der beste Freund Christians gewesen, seines Lehrmeisters. Und jetzt musste er ihm sagen, dass sein einziger Sohn gefallen war.
    Es nahm einige Zeit in Anspruch, bis das Tor mit Bewaffneten doppelt gesichert, die Zugbrücke heruntergelassen und die schweren Balken aus den Halterungen gelöst waren. Raimund ritt unter dem halb hochgezogenen Fallgitter hindurch, wobei er den Kopf einziehen musste. Sofort wurde es wieder vollständig herabgelassen. Ein halbes Dutzend Bewaffneter umringte ihn, aber Lukas schickte sie weg.
    »Wenn Ihr erlaubt, rede ich zuerst kurz unter vier Augen mit ihm«, sagte er zu Dietrich, und seine finstere Miene ließ keinen Zweifel daran, dass es dabei um die Todesnachricht ging, die er dem Freund überbringen musste. Thomas wollte Einspruch erheben, weil er das als seine bittere Pflicht ansah, aber sein Stiefvater zwang ihn mit einem Blick zum Schweigen. Auch Lukas kannte inzwischen die Einzelheiten von Rolands tragischem Ende.
    Raimund war derweil aus dem Sattel gestiegen. Lukas legte dem Freund einen Arm auf die Schulter und zog ihn ein paar Schritte beiseite, damit sie unbelauscht reden konnten. An dieser Stelle konnte sie niemand von Albrechts Leuten sehen, selbst wenn der von ihnen besetzte Berg höher war.
    Für die Beobachter auf dem Burghof sah es aus, als würde Raimund von einem Hammerschlag getroffen. Er taumelte, doch Lukas hielt ihn weiter mit einem Arm und sprach immer noch leise auf ihn ein.
    Raimund, kreidebleich geworden, rieb sich mit der Hand übers Gesicht.
    »Deshalb hat Albrecht
mich
geschickt«, sagte er, während ihm Tränen in die Augen stiegen. »Ich glaubte, er wollte mich dazu verleiten überzulaufen. Dann könnte er meine Güter einziehen … Meine Pferde hat er ja schon … Aber dann würden sie Elisabeth umbringen. Elisabeth! Wie soll ich ihr das beibringen? Es wird ihr das Herz brechen …«
    »Wenn dir das ein Trost ist: Er hat nicht lange leiden müssen … Und all seine Sünden sind vergeben, er darf bei unserem Erlöser weilen«, brachte Lukas mit Mühe hervor. Er wusste, dass es nichts gab, womit er den Freund trösten konnte.
    Raimund rieb sich abermals übers Gesicht, während er versuchte, sich zu sammeln. »Ich sollte nun meinen Auftrag erfüllen …«
    Er blinzelte ein paar Mal, um klar zu sehen, dann ging er auf Dietrich zu und sank vor ihm auf ein Knie.
    »Erhebt Euch, begleitet mich und überbringt Eure Botschaft in meiner Kammer«, sagte der Graf und befahl, dem Boten etwas zu trinken zu reichen. Was sie nun zu bereden hatten, war nicht für jedermanns Ohr gedacht. Es schwirrten ohnehin schon zu viele Gerüchte auf der Burg herum.
    »Ich gäbe all mein Silber dafür, wenn ich Euern Sohn lebend aus dem Heiligen Land zurückgebracht hätte«, sagte er auf dem Weg leise zu Raimund, und es war nicht nur dahergeredet. »Er war einer meiner tapfersten Männer, er hat so oft sein Leben gewagt … Und dann fiel er ausgerechnet am letzten Tag vor Akkon …«
    Raimund wollte etwas entgegnen, aber die Kehle schien ihm wie zugeschnürt.
    Er war dankbar für den Aufschub, den ihm der Weg bis zum Palas und die Treppe hinauf brachte.
    In der Kammer angelangt, nahm er alle Kraft zusammen und wiederholte seine Botschaft. »Albrecht bietet Mann, Frau und Kind auf dieser Burg freien Abzug ohne Waffen, wenn Ihr ihm Weißenfels vor Einbruch der Dämmerung übergebt.«
    »Ihr meint: Was von Weißenfels noch übrig ist?«, fragte Dietrich mit eisiger Miene. »Und was, wenn ich meinem Bruder die Burg nicht freiwillig überlasse? Im Handstreich kann er sie nicht einnehmen, und der Winter rückt heran.«
    »Sollst du damit drohen, dass in ein paar Tagen Verstärkung kommt?«, erkundigte sich Lukas.
    Raimund zeigte sich nicht im Geringsten überrascht, dass der Freund davon wusste. Selbstverständlich würden sie Späher ausgeschickt haben, und Albrechts Männer prahlten laut

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