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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Konsul von Iquitos fortan wohl einen weiteren Feind haben würde, vor dem er sich in Acht nehmen müsste.
    »Ich bin hierhergekommen, um Konsulatsdienste für mein Land zu leisten«, fügte Stirs hinzu und fixierte die Bambusmatte auf dem Boden. »Und ich erfülle sie zuverlässig, das versichere ich Ihnen. Ich kenne die wenigen britischen Staatsbürger hier, vertrete ihre Interessen und unterstütze sie in jeder Hinsicht. Ich tue, was in meiner Macht steht, um den Handel zwischen dem Amazonasgebiet und Großbritannien zu fördern. Ich informiere meine Regierung über Handelsbewegungen, ein- und auslaufende Schiffe, Grenzvorkommnisse. Zu meinen Pflichten gehört nicht, Sklaverei oder Übergriffe zu bekämpfen, die peruanische Mestizen und Weiße gegenüber den Indios des Amazonasgebietes begehen.«
    »Verzeihen Sie, dass ich Sie verletzt habe, Mr. Stirs. Reden wir nicht weiter darüber.«
    Roger stand auf, wünschte dem Hausherrn eine gute Nacht und ging auf sein Zimmer. Der Sturm war vorübergezogen, doch es regnete weiter. Auf der Terrasse vor seinem Schlafzimmer hatten sich Pfützen gebildet, es roch durchdringend nach Pflanzen und feuchter Erde. Das Rumoren der Insekten war so laut, als befänden sie sich nicht im angrenzenden Busch, sondern mitten im Zimmer. Draußen wimmelte es von Vinchucas , schwarzen Raubwanzen, deren Kadaver am nächsten Morgen die ganze Terrasse bedecken würden. Wenn man auf sie trat, knackten sie wie Nüsse und hinterließen blutige Schlieren. Roger entkleidete sich, zog seinen Pyjama an und legte sich unter das Moskitonetz ins Bett.
    Es war natürlich unbesonnen gewesen, den Konsul zu beleidigen, diesen armen, vermutlich doch gutherzigen Menschen, der ohne Komplikationen das Pensionsalter erreichen wollte, um nach England zurückkehren und sich dem Garten seines Cottage in Surrey widmen zu können. Roger sollte sich daran ein Vorbild nehmen, dann wäre auch er körperlich und seelisch in einer besseren Verfassung.
    Er erinnerte sich an die langen, teilweise äußerst vergnüglichen Unterhaltungen, die er auf dem Deck der Huayna , dem Schiff, das sie von Tabatinga an der peruanisch-brasilianischen Grenze nach Iquitos gebracht hatte, mit dem Kautschukunternehmer Víctor Israel geführt hatte, einem maltesischen Juden, der seit vielen Jahren im Amazonasgebiet lebte. Víctor Israel kleidete sich bizarr wie für einen Kostümball, er sprach ein tadelloses Englisch und erzählte geistreich von seinem abenteuerlichen Leben, das einem Schelmenroman glich. Dabei spielten sie Poker und tranken Cognac, den der Kautschukunternehmer liebte. Er hatte die grässliche Angewohnheit, mit einer altmodischen Pistole auf die rosafarbenen Reiher zu schießen, die über das Schiff hinwegflogen, glücklicherweise traf er nur selten. Doch dann stimmte er eines Tages, aus welchem Anlass, wusste Roger nicht mehr, ein Loblied auf Julio C. Arana an. Dieser Mann rette das Amazonasgebiet aus der Barbarei, gewinne es für die moderne Welt. Er verteidigtedie Treibjagden, denen es zu verdanken sei, dass es überhaupt noch Arbeitskräfte für die Kautschukplantagen gebe. Denn das große Problem im Urwald sei der Mangel an Arbeitern zur Ernte dieser kostbaren Substanz, mit der der Schöpfer die Region beschenkt und die Peruaner gesegnet habe. Dieses »himmlische Manna« werde durch die Faulheit und Dummheit der Wilden verschwendet, die nicht als Kautschuksammler arbeiten wollten und mit Gewalt aus ihren Dörfern geholt werden müssten, was für das Unternehmen natürlich großen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeute.
    »Nun ja, das ist ein Standpunkt«, wandte Roger ein. »Es gibt aber auch noch einen anderen.«
    Víctor Israel war groß und hager, seine schulterlange Mähne war weiß meliert. Er trug eine rote Weste, darüber Hosenträger und über den Schultern ein buntes Tuch. Sein langes, knochiges Gesicht war voller Bartstoppeln, und er kniff seine kleinen dunklen Augen mephistophelisch zusammen.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich meine den Standpunkt derer, die Sie als Wilde bezeichnen«, sagte Roger beiläufig, als spräche er vom Wetter oder von den Moskitos. »Versetzen Sie sich doch für einen Augenblick in ihre Lage. Seit Jahrhunderten leben sie in ihren Dörfern. Und eines schönen Tages kommen ein paar Weiße oder Mestizen mit Gewehren und Revolvern und verlangen von ihnen, dass sie ihre Familien, Hütten und Felder verlassen, um etliche Kilometer entfernt Kautschuk zu sammeln, wovon Fremde profitieren,

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