Der Traum des Wolfs
regelrecht erstaunt, wie viel sie doch von der Meinung dieser Frauen hielt. Sie nahm die Stola und legte sie sich über die Schultern.
»Soriela werden diese Neuigkeiten nicht gefallen«, sagte Bair und schüttelte den Kopf. »Sie hatte noch immer die Hoffnung, dass Ihr diese Närrinnen in der Weißen Burg verlasst und zu uns zurückkehrt.«
»Bitte achtet auf Eure Worte«, sagte Egwene und erschuf eine Tasse Tee. »Nicht nur bin ich eine dieser Närrinnen, meine Freundin, ich bin auch ihre Anführerin. Die Königin der Narren, könnte man sagen.«
Bair zögerte. »Ich habe Toh auf mich geladen.«
»Nicht, weil Ihr die Wahrheit aussprecht«, versicherte Egwene ihr. »Viele von ihnen sind Närrinnen, aber sind wir nicht gewissermaßen irgendwann alle einmal Närrinnen? Ihr habt mich nicht meinen Fehlern überlassen, als ihr mich im Tel’aran’rhiod herumwandern fandet. Auf eine ähnliche Weise kann ich die in der Weißen Burg nicht im Stich lassen. «
Amys kniff die Augen zusammen. »Seit unserer letzten Begegnung seid Ihr sehr gewachsen, Egwene al’Vere.«
Das erzeugte in Egwene ein warmes Gefühl. »Ich musste auch wachsen. In der letzten Zeit war mein Leben sehr schwierig.«
»Wenn man vor einem eingestürzten Dach steht«, sagte Bair, »fangen manche an, die Trümmer wegzuräumen, und werden dadurch stärker. Andere gehen zum Haus ihrer Brüder und trinken ihr Wasser.«
»Habt Ihr Rand in letzter Zeit gesehen?«, fragte Egwene.
»Der Car’a’carn hat den Tod umarmt«, sagte Amys. »Er hat den Versuch aufgegeben, so stark wie die Steine sein zu wollen, und hat stattdessen die Stärke des Windes gefunden.«
Bair nickte. »Eigentlich müssten wir aufhören, ihn ein Kind zu nennen.« Sie lächelte. »Eigentlich.«
Egwene ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken. Sie hatte erwartet, dass sie unzufrieden mit Rand sein würden. »Ich möchte, dass ihr wisst, welchen Respekt ich vor Euch habe. Dafür, dass Ihr mich auf diese Weise aufgenommen habt, habt Ihr große Ehre errungen. Ich glaube, das ist der einzige Grund, dass mein Blick weiter reicht als der meiner Schwestern, denn Ihr habt mich gelehrt, gerade und mit erhobenem Kopf zu gehen.«
»Das war einfach«, bemerkte Amys sichtlich erfreut. »Das hätte jede Frau gekonnt.«
»Nur wenige Freuden sind so befriedigend, als eine Schnur zu nehmen, die jemand verknotet hat«, sagte Bair, »und sie dann wieder zu entknoten. Aber wenn die Schnur nicht aus gutem Material gemacht ist, dann wird sie auch das Entknoten nicht mehr retten. Ihr habt uns gutes Material gegeben, Egwene al’Vere.«
»Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, mehr Schwestern in der Art und Weise der Weisen Frauen zu unterrichten.«
»Schickt sie doch zu uns«, meinte Amys. »Vor allem, wenn sie bestraft werden müssen. Wir würden sie nicht so verhätscheln, wie es in der Weißen Burg geschieht.«
Etwas in Egwene sträubte sich. Die Prügel, die sie bezogen hatte, das sollte ein »Verhätscheln« gewesen sein? Aber das war ein Streitgespräch, auf das sie sich nicht einlassen wollte. Aiel würden die Lebensweise der Feuchtländer immer für verweichlicht halten, und diese Einstellung würde man auch nicht ändern können.
»Ich bezweifle, dass sich die Schwestern darauf einlassen würden«, sagte sie mit wohlüberlegten Worten. »Aber vielleicht würde es funktionieren, wenn man euch junge Frauen, die noch in der Ausbildung stehen, zum Lernen schickt. Darum war meine Ausbildung zum Teil auch so effektiv. Ich war noch nicht so festgefahren in den Bräuchen der Aes Sedai.«
»Würden sie sich darauf einlassen?«, fragte Bair.
»Möglicherweise«, antwortete Egwene. »Wenn wir Aufgenommene schicken. Novizinnen würde man als zu unerfahren betrachten, Schwestern für zu ehrwürdig. Aber Aufgenommene … vielleicht. Man müsste einen guten Grund haben, der der Weißen Burg nützt.«
»Ihr solltet ihnen befehlen zu gehen«, sagte Bair, »und erwarten, dass sie gehorchen. Habt Ihr nicht die meiste Ehre unter ihnen? Sollten sie nicht auf Euren Rat hören, wenn er klug ist?«
»Tut der Clan immer das, was der Häuptling verlangt?«, erwiderte Egwene.
»Natürlich nicht«, sagte Amys. »Aber Feuchtländer schwärmen immer für Könige und Lordschaften. Es scheint ihnen zu gefallen, gesagt zu bekommen, was sie zu tun haben. Es gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit.«
»Aes Sedai sind da anders.«
»Die Aes Sedai deuten auch weiterhin an, dass wir alle in der Weißen Burg eine
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