Der Traum des Wolfs
noch jung, aber die Weise, wie er da stand - entspannt und doch für alles bereit, die Hand auf dem Schwertknauf -, wies ihn als erfahrenen Soldaten aus. Zu schade, dass er ein so hübsches Gesicht hatte. Ein Leben beim Militär würde das am Ende vermutlich zerstören.
Der Mann nickte Mat, Thom und Talmanes zu. »Lord Cauthon?«, wandte er sich an Mat.
»Einfach nur Mat.«
Der Mann runzelte die Stirn, enthielt sich aber jeder Bemerkung. »Mein Name ist Charlz Guybon. Ich führe Euch zu Ihrer Majestät.«
Also hatte sie Guybon geschickt, um ihn zu eskortieren. Er bekleidete einen hohen Rang, war der stellvertretende Kommandant des Heeres. Das kam unerwartet. Fürchtete sich Elayne vor ihm, oder wollte sie ihn ehren? Vielleicht hatte Guybon ihn auch nur selbst kennenlernen wollen. Sie würde ihn nicht ehren, nicht nachdem sie ihn so lange auf eine Audienz hatte warten lassen! Eine schöne Begrüßung für einen alten Freund. Sein Misstrauen verstärkte sich noch, als Guybon sie nicht in den Großen Saal führte, sondern in einen abgeschiedeneren Teil des Palasts.
»Ich habe viel von Euch gehört, Meister Cauthon«, sagte Guybon. Er schien einer dieser steifen Soldaten zu sein. Solide, aber vielleicht etwas zu solide. Wie ein Bogen, der nicht genug federn konnte.
»Von wem?«, erkundigte sich Mat. »Von Elayne?«
»Es waren hauptsächlich Gerüchte in der Stadt. Die Leute reden gern über Euch.«
Das tun siel, dachte Mat. »Die Hälfte davon habe ich nicht getan«, murmelte er grimmig, »und die andere Hälfte war nicht meine verdammte Schuld.«
Guybon lachte. »Und was ist mit der Geschichte, dass Ihr neun Tage lang von einem Baum gehangen habt?«
»Ist nicht passiert«, sagte Mat und widerstand dem Reflex, an seinem Halstuch zu zupfen. Neun Tage lang? Wo kam das denn her? Er hatte dort nicht einmal neun verdammte Minuten gehangen! Neun Sekunden waren zu lang gewesen.
»Es heißt auch«, fuhr Guybon fort, »Ihr würdet niemals beim Würfelspiel verlieren, auch in der Liebe nicht, und Euer Speer verfehlt niemals sein Ziel.«
»Ich wünschte, die letzten beiden stimmten. Verflucht noch eins, das wünschte ich wirklich.«
»Aber Ihr gewinnt immer beim Würfeln?«
»So gut wie.« Mat zog die Hutkrempe ein Stück herunter. »Aber verbreitet das nicht, sonst finde ich nie ein Spiel.«
»Es heißt, Ihr hättet einen der Verlorenen getötet«, sagte Guybon.
»Das ist nicht wahr.« Wie war das denn entstanden?
»Und was ist mit den Geschichten, dass Ihr Euch in einem Ehrenduell mit dem König der Aiel-Invasoren geschlagen habt? Habt Ihr für den Wiedergeborenen Drachen wirklich die Loyalität der Aiel gewonnen?«
»Verdammte Asche. Ich tötete Couladin, aber das war alles andere als ein Duell! Ich stieß auf dem Schlachtfeld auf ihn, und einer von uns beiden musste sterben. Und ich wollte es verdammt noch mal nicht sein.«
»Interessant«, sagte Guybon. »Ich dachte mir schon, dass das stimmt. Zumindest gehörte es zu den wenigen Geschichten, die wahr sein könnten. Im Gegensatz zu…« Er verstummte.
»Im Gegensatz wozu?« Sie kamen an einigen Sälen vorbei, wo sich Diener versammelt hatten und sie untereinander tuschelnd betrachteten.
Guybon schien zu zögern. »Ihr habt das sicherlich gehört.«
»Zweifelhaft.« Sollte man ihn doch zu Asche verbrennen! Was kam denn jetzt? Hatten die Mitglieder der Bande diese Gerüchte unters Volk gebracht? Aber selbst ihnen waren viele dieser Dinge unbekannt!
»Nun, es gibt da dieses Gerücht, dass Ihr das Reich des Todes betreten habt, um ihn herauszufordern, und Antworten auf Eure Fragen verlangt habt.« Guybon sah richtig verlegen aus. »Und dass er Euch diesen Speer gab, den Ihr da haltet, und Euch Euren Todestag verriet.«
Mat verspürte ein Frösteln. Das lag nahe genug an der Wahrheit, um erschreckend zu sein.
»Albern, ich weiß«, sagte Guybon.
»Aber ja«, erwiderte Mat. »Albern.« Er wollte lachen, aber es wurde ein Husten daraus. Guybon sah ihn neugierig an.
Beim Licht!, wurde Mat klar, er glaubt, ich weiche der Frage aus! »Das sind natürlich nur Gerüchte«, sagte er schnell. Vielleicht zu schnell. Blut und verdammte Asche!
Guybon nickte nachdenklich.
Mat wollte das Thema wechseln, traute sich aber nicht, den verdammten Mund aufzumachen. Ihm fiel auf, dass immer mehr Palastdiener stehen geblieben waren, um sich die Prozession anzusehen. Das hätte ihn am liebsten noch mehr fluchen lassen, aber dann fiel ihm auf, dass sich die meisten auf Thom zu
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