Der Traum des Wolfs
stach sie in den Nacken. Sie schlug danach und tötete eine Schwarzfliege. Nun, die waren in diesem feuchten Sumpf nun wirklich nicht ungewöhnlich. Sie würde froh sein, wenn sie…
Ein weiterer Stich an ihrem Arm. Sie schlug danach. Die ganze Luft fing an zu summen, Fliegen schwirrten um sie herum. Nynaeve biss die Zähne zusammen und machte mit dem Gewebe weiter. Noch mehr Stiche suchten ihre Arme heim. Sie konnte sie nicht alle totschlagen. Konnte sie die Fliegen mit einem Gewebe loswerden? Sie fing an, Luft zu verweben, damit ein Luftschwall sie umwehte, aber die Schreie ließen sie innehalten.
Es war kaum über dem Summen der Fliegen zu hören, aber es klang wie ein im Moor gefangenes Kind! Nynaeve machte einen Schritt auf die Schreie zu und öffnete den Mund, um zu rufen, aber Schwarzfliegen schossen in ihren Mund und würgten jeden Laut ab. Sie trafen ihre Augen, und sie musste sie fest zusammenkneifen.
Dieses Summen. Die Schreie. Die Stiche. Beim Licht, sie waren in ihrem Hals! In ihren Lungen!
Vollende das Gewebe. Du musst das Gewebe vollenden.
Irgendwie machte sie trotz der Schmerzen weiter. Der Lärm der Insekten war so laut, dass sie kaum das Rauschen des flammenden Sterns hörte, als er in die Luft aufstieg. Schnell webte sie ein Gewebe, das die Fliegen wegwehte, danach sah sie sich um. Sie hustete und zitterte. Sie konnte die Fliegen in ihrem Mund fühlen. Ein Kind in Gefahr konnte sie nicht entdecken. Hatten ihr die Ohren einen Streich gespielt?
Sie entdeckte einen weiteren sechszackigen Stern, über einer in einen Baum geschnitzten Tür. Sie ging darauf zu, während die Fliegen zurückkehrten. Ruhig. Sie musste ruhig sein! Warum? Es macht keinen Sinn! Sie tat es trotzdem, griff nach der Tür und zog sie auf. Trat hinein.
In einem Gebäude blieb sie stehen und fragte sich, warum sie so schlimm hustete. War sie krank? Erschöpft und wütend lehnte sie sich gegen die Wand. Ihre Beine waren völlig zerkratzt, und ihre Arme juckten durch Insektenstiche. Sie stöhnte und betrachtete das grellbunte Kleid. Was war bloß in sie gefahren, dass sie Rot, Gelb und Pink zusammen trug?
Seufzend richtete sie sich wieder auf und durchquerte den heruntergekommenen Korridor. Die Bodendielen knarrten bei jedem Schritt, an den Wänden blätterte der Verputz ab.
Sie kam zu einer Tür und schaute hinein. Das kleine Gemach enthielt vier kleine Messingbetten; aus den Matratzensäumen stach Stroh hervor. Auf jedem Bett lag ein Kind und krallte sich in eine fadenscheinige Decke. Zwei von ihnen husteten, alle vier sahen blass und kränklich aus.
Nynaeve keuchte auf und eilte in den Raum. Sie kniete neben dem ersten Kind nieder, einem Jungen von vielleicht vier Jahren. Sie untersuchte seine Augen, dann befahl sie ihm zu husten, während sie das Ohr auf seine Brust legte. Er hatte die Schleichseuche.
»Wer kümmert sich um euch?«, verlangte Nynaeve zu wissen.
»Frau Mala leitet das Waisenhaus«, sagte das Kind mit schwacher Stimme. »Wir haben sie schon lange nicht mehr gesehen.«
»Bitte«, sagte ein junges Mädchen auf dem Nebenbett. Seine Augen waren blutunterlaufen und seine Haut so blass, dass sie beinahe weiß war. »Einen Schluck Wasser? Könnte ich einen Schluck Wasser bekommen?« Es zitterte.
Die anderen beiden weinten. Erbarmungswürdige, kraftlose Laute. Beim Licht! In dem Raum gab es nicht ein einziges Fenster, und unter den Betten sah Nynaeve Küchenschaben hervorkrabbeln. Wer würde Kinder in solchen Zuständen unterbringen?
»Pst«, machte sie. »Ich bin ja jetzt da. Ich kümmere mich um euch.«
Sie musste die Macht lenken, um sie zu Heilen. Dann …
Nein. Das kann ich nicht machen. Ich kann die Macht nicht lenken, bis ich den Stern gefunden habe.
Dann würde sie eben Heiltränke brauen. Wo war ihre Kräutertasche? Sie schaute sich in dem Zimmer um und suchte nach einer Wasserquelle.
Sie erstarrte; auf der anderen Korridorseite war noch ein Zimmer. War es eben schon da gewesen? Ein Teppich auf dem Boden zeigte einen sechszackigen Stern. Sie erhob sich. Die Kinder wimmerten.
»Ich komme zurück«, versprach Nynaeve und ging auf das andere Zimmer zu. Jeder Schritt stach ihr ins Herz. Sie ließ sie im Stich. Aber nein, sie begab sich bloß ins Nebenzimmer. Nicht wahr?
Sie erreichte den Teppich und fing an zu weben. Nur dieses eine schnelle Gewebe, dann konnte sie helfen. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter, während sie arbeitete.
Hier war ich schon einmal, dachte sie. Oder an einem
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