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Der Traum des Wolfs

Der Traum des Wolfs

Titel: Der Traum des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan , Brandon Sanderson
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schleuderte sie reflexartig. Sie trafen den Meuchelmörder in beide Augen. Eine Klinge in jedes Auge. Beim Licht! Er hatte gar nicht nach den Augen gezielt.
    Der Mann brach auf dem feuchten Straßenpflaster zusammen.
    Mat stand keuchend da. »Muttermilch in einer Tasse! Verfluchte Muttermilch!« Er packte seinen Stab und schaute sich um, aber die dunkle Straße war leer. »Ich habe dich gerettet. Ich habe dich gerettet, und du willst mich erstechen?«
    Er kniete neben der Leiche nieder. Und mit grimmiger Sicherheit, was er finden würde, griff er in den Geldbeutel des Mannes. Er fand ein paar Münzen - Goldmünzen - und ein zusammengefaltetes Stück Papier. Mondlicht enthüllte darauf Mats Gesicht. Er zerknüllte das Blatt und schob es in die Tasche.
    Eines in jedes verdammte Auge. Besser, als der Mann verdient hatte. Mat band sich wieder das Tuch um, nahm seine Messer und ging weiter, sich wünschend, er hätte den Meuchelmörder seinem Schicksal überlassen.
     
    Birgitte verschränkte die Arme, lehnte sich gegen eine Marmorsäule und sah zu, wie Elayne eine abendliche Präsentation von »Schauspielern« genoss. Gruppen wie diese, die Geschichten darstellten, waren in Cairhien sehr populär geworden, und jetzt versuchten sie den gleichen Erfolg in Andor zu erringen. Einer der Palastsäle, in denen früher Barden gespielt hatten, war umgestaltet worden, damit die Mimen ihre Stücke aufführen konnten.
    Birgitte schüttelte den Kopf. Was hatte man davon, erfundene Geschichten darzustellen? Warum nicht in die Welt hinausgehen und ein paar eigene Geschichten erleben? Davon abgesehen hätte sie jederzeit einen Barden vorgezogen. Hoffentlich würde dieser neumodische »Schauspieler«-Unsinn einen schnellen Tod sterben.
    Die fragliche Geschichte nun erzählte die tragische Heirat und den Tod von Prinzessin Walishen nach, die Bestien des Schattens ermordet hatten. Birgitte kannte die Ballade, die den Schauspielern als Grundlage ihrer Vorstellung gedient hatte. Tatsächlich sangen sie zwischendurch immer wieder Teile davon. Es war erstaunlich, wie wenig sich dieses Lied im Laufe der Jahre verändert hatte. Ein paar andere Namen, ein paar andere Noten, aber im Großen und Ganzen war es unverändert.
    Fast so wie ihre eigenen Leben. Eine Wiederholung nach der anderen, mit wenig Variationen. Manchmal war sie Soldatin. Manchmal war sie eine Waldfrau ohne eine formelle militärische Ausbildung. Ein- oder zweimal war sie Generalin gewesen. Leider. Diese Arbeit hätte sie nur zu gern jemand anderem überlassen.
    Sie war Wächterin, edle Diebin, Lady, Bäuerin, Mörderin und Retterin gewesen. Aber noch nie zuvor Behüterin. Die damit verbundenen Neuerungen störten sie nicht. In den meisten ihrer Leben wusste sie nicht mehr, was zuvor geschehen war. Was sie jetzt aus ihren früheren Leben ziehen konnte, war ein Vorteil, ja, aber sie hatte kein Anrecht auf diese Erinnerungen.
    Das hinderte aber ihr Herz keineswegs daran, sich jedes Mal zu verkrampfen, wenn eine dieser Erinnerungen verblich. Beim Licht! Wenn sie dieses Mal schon nicht mit Gaidal zusammen sein konnte, durfte sie sich denn nicht wenigstens an ihn erinnern? Es war, als wüsste das Muster einfach nicht, was es mit ihr anfangen sollte. Sie war in dieses Leben hineingezwungen worden und hatte alle anderen Fäden zur Seite gedrängt, um einen unerwarteten Platz einzunehmen. Das Muster versuchte sie hineinzuweben. Was würde passieren, wenn sämtliche Erinnerungen verblichen waren? Würde sie sich noch an irgendetwas erinnern, wenn sie eines Tages als Erwachsene ohne Geschichte aufwachte? Der Gedanke machte ihr mehr Angst als jedes Schlachtfeld.
    Sie nickte einer ihrer Gardistinnen zu, Kaila Bent, die an der hintersten Reihe des provisorischen Theaters vorbeikam und salutierte.
    Birgitte trat um die Ecke, um mit ihr zu sprechen. »Und?«
    »Keine besonderen Vorkommnisse«, sagte Kaila. »Alles in Ordnung.« Sie war eine schlanke Frau mit feuerrotem Haar und hatte sich schnell daran gewöhnt, Hosen und Mantel der Gardistinnen zu tragen. »Zumindest soweit alles in Ordnung sein kann, während man Der Tod von Prinzessin Walishen über sich ergehen lassen muss.«
    »Hört auf, Euch zu beschweren«, sagte Birgitte und unterdrückte ein Zusammenzucken, als die Diva, wie sie von den anderen Schauspielern genannt wurde, zu einer besonders schrillen Arie ansetzte. So nannte man ein Lied, das man allein sang. Warum brauchten diese Schauspieler so viele neue Namen für alte Dinge?

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