Der Traum des Wolfs
Gebäude. Kein Fremder konnte erkennen, dass dieses besondere Haus Vram Torkumen gehörte, einem entfernten Cousin der Königin, der in ihrer Abwesenheit der designierte Herrscher über die Stadt war. Die Soldaten an der Tür trugen Gelb und Schwarz. Sie salutierten vor Yoeli.
Hinter dem Eingang lag eine schmale Treppe; Ituralde und Yoeli stiegen drei Absätze hinauf. In fast jedem Raum waren Soldaten. Im obersten Stockwerk bewachten vier Männer mit dem Verräterbanner eine große, mit goldenen Einlegearbeiten verzierte Tür. Der Korridor war dunkel: schmale Fenster und ein schwarzer, grüner und roter Teppich.
»Bericht, Tarran?«, fragte Yoeli.
»Keine Vorkommnisse, Herr«, sagte der Mann mit einem Salut. Er hatte einen langen Schnurrbart und die krummen Beine eines Mannes, der sich im Sattel wohlfühlte.
Yoeli nickte. »Vielen Dank, Tarran. Für alles!«
»Ich stehe an Eurer Seite, Herr. Bis zum Ende.«
»Möget Ihr Eure Augen nach Norden richten, aber Euer Herz nach Süden, mein Freund«, sagte Yoeli, holte tief Luft und stieß die Tür auf. Ituralde folgte ihm.
In dem Raum saß ein Saldaeaner in einer teuren roten Robe neben dem Kamin und trank einen Becher Wein. Ihm gegenüber saß eine Frau in einem kostbaren Gewand und beschäftigte sich mit einer Stickarbeit. Keiner der beiden schaute auf.
»Lord Torkumen«, sagte Yoeli. »Das hier ist Rodel Ituralde, der Befehlshaber des Domani-Heeres.«
Der Mann am Kamin seufzte in seinen Wein. »Ihr klopft nicht an, Ihr wartet nicht darauf, dass ich Euch hereinbitte, Ihr kommt in einer Stunde, in der ich ausdrücklich darum bat, meinem Bedürfnis nach Besinnlichkeit nachgehen zu dürfen.«
»Also wirklich, Vram«, sagte die Frau, »du erwartest von diesem Mann Manieren? Jetzt?«
Yoeli legte stumm die Hand auf den Schwertgriff. In dem Raum stand zusammengewürfeltes Mobiliar: das Bett an der Wand gehörte offensichtlich nicht hierher; dann gab es noch ein paar Truhen und einen Kleiderschrank.
»Also«, sagte Vram, »Rodel Ituralde. Ihr seid einer der Großen Hauptmänner. Mir ist durchaus klar, dass meine Frage möglicherweise eine Beleidigung darstellt, aber ich muss mich an die Formalitäten halten. Euch ist klar, dass Ihr einen Krieg riskiert habt, indem Ihr Truppen auf unser Gebiet gebracht habt?«
»Ich diene dem Wiedergeborenen Drachen«, erwiderte Ituralde. »Tarmon Gai’don kommt, und alle ehemaligen Bündnisse, Grenzen und Gesetze sind dem Willen des Drachen unterworfen.«
Vram schnalzte mit der Zunge. »Drachenverschworene. Ich kenne natürlich die Berichte - und diese Männer in Eurem Gefolge sind ein offensichtlicher Hinweis. Aber sich das anhören zu müssen ist trotzdem so seltsam. Ist Euch eigentlich nicht klar, wie albern Ihr Euch anhört?«
Ituralde erwiderte den Blick des Mannes. Er hatte sich nicht als Drachenverschworener betrachtet, aber es war sinnlos, ein Pferd als Stein zu bezeichnen und zu erwarten, dass alle anderen das auch so sahen. »Ist Euch die Trolloc-Invasion denn völlig egal?«
»Es sind schon früher Trollocs gekommen«, sagte Vram. »Trollocs hat es immer gegeben.«
»Die Königin …«, sagte Yoeli.
»Die Königin wird bald von ihrer Expedition zurückkehren«, unterbrach ihn Vram, »und diesen falschen Drachen demaskiert und gefangen genommen haben. Sobald das geschehen ist, wird sie dafür sorgen, dass man Euch hinrichtet, Verräter. Rodel Ituralde, Euch wird man wegen Eures Standes vermutlich verschonen, aber ich möchte nicht Eure Familie sein, wenn sie die Lösegeldforderung erhält. Ich hoffe, Euer Reichtum entspricht Eurem Ruf. Wenn nicht, werdet Ihr vermutlich viele der nächsten Jahre nur die Ratten in Eurer Zelle befehligen.«
»Ich verstehe«, sagte Ituralde. »Wann habt Ihr Euch dem Schatten zugewandt?«
Vram riss die Augen weit auf und erhob sich. »Ihr wagt es, mich als Schattenfreund zu bezeichnen?«
»Ich kenne einige Saldaeaner«, sagte Ituralde. »Ein paar habe ich Freund genannt, gegen andere habe ich gekämpft. Aber mir ist noch nie zuvor einer begegnet, der einfach nur zusieht, wie Männer gegen Schattengezücht kämpfen, ohne seine Hilfe anzubieten.«
»Hätte ich ein Schwert…«, sagte Vram.
»Von mir aus könnt Ihr zu Asche verbrennen, Vram Torkumen«, sagte Ituralde. »Ich bin nur gekommen, um Euch das zu sagen, wegen der Männer, die ich verlor.«
Der Mann schien schockiert zu sein, als sich Ituralde abwandte und ging. Yoeli schloss sich ihm an und zog die Tür hinter sich zu.
»Ihr
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