Der Traum des Wolfs
nichts Zeit. Risiken müssen eingegangen werden.«
»Risiken, bei denen die Königin von Andor allein loszieht, um einer Horde Schwarzer Ajah gegenüberzutreten? Du bist wie ein vom Blut berauschter Narr auf dem Schlachtfeld, der seinen Kameraden vorausstürmt und den Tod sucht, ohne dass sein Schildkamerad seinen Rücken deckt!«
Der Zorn in den Worten der Frau ließ Elayne blinzeln.
»Vertraust du mir nicht, Elayne?«, fragte Birgitte. »Würdest du mich loswerden, wenn du könntest?«
»Was? Nein! Natürlich vertraue ich dir.«
»Und warum lässt du mich dann nicht helfen? Eigentlich sollte es mich jetzt hier gar nicht geben. Ich habe keinen Daseinszweck abgesehen von dem, der sich zufällig ergibt. Du hast mich zu deiner Behüterin gemacht, aber du erlaubst nicht, dass ich dich beschütze! Wie soll ich deine Leibwächterin sein, wenn du mir nicht sagst, dass du dich in Gefahr begibst?«
Am liebsten hätte sich Elayne die Decke über den Kopf gezogen, um sich vor diesem Blick zu verbergen. Wie konnte sich Birgitte nur so verletzt fühlen? Schließlich war sie diejenige, die verwundet worden war! »Falls es etwas bedeutet«, sagte sie, »ich habe nicht die Absicht, das zu wiederholen.«
»Nein. Du wirst etwas anderes finden, das genauso tollkühn ist.«
»Ich meine, ich will vorsichtiger sein. Vielleicht hast du recht und die Sicht ist keine perfekte Garantie. Sie hat jedenfalls nicht verhindert, dass ich in Panik geriet, als ich eine richtige Gefahr verspürte.«
»Du hast keine Gefahr gefühlt, als dich die Schwarze Ajah einsperrte und wegschaffen wollte?«
Elayne zögerte. Eigentlich hätte sie sich damals fürchten müssen, aber das hatte sie nicht. Nicht nur wegen Mins Sicht. Die Schwarze Ajah hätte sie niemals getötet, nicht unter diesen Umständen. Sie war zu wertvoll.
Zu fühlen, wie das Messer in sie eindrang, ihre Haut durchbohrte und sich ihrem Schoß entgegengrub … das war anders gewesen. Das Entsetzen. Sie konnte sich daran erinnern, wie es um sie herum dunkel wurde, ihr Herz wild pochte und lauter wurde wie die Trommeln am Ende einer Vorstellung. Die, die vor der Stille kamen.
Birgitte betrachtete sie abschätzend. Sie bekam ihre Gefühle mit. Elayne war die Königin. Sie konnte Risiken nicht meiden. Aber … vielleicht konnte sie sich zügeln.
»Nun«, sagte Birgitte, »hast du wenigstens etwas entdeckt?«
»Das habe ich. Ich …«
In diesem Augenblick erschien ein von einem Tuch verhülltes Gesicht in der Tür. Mat hatte die Augen fest geschlossen. »Bist du angezogen?«
»Ja«, sagte Elayne. »Und zwar weitaus besser als du, Matrim Cauthon. Das Halstuch sieht lächerlich aus.«
Er runzelte die Stirn, öffnete die Augen und zog das Tuch ab, um sein Gesicht zu enthüllen. »Versuch du einmal, durch die Stadt zu gehen, ohne erkannt zu werden«, sagte er. »Jeder Metzger, Wirt und verdammter Hinterzimmerlangfinger scheint zu wissen, wie ich aussehe.«
»Die Schwarzen Schwestern wollten dich ermorden lassen«, sagte Elayne.
»Was?«, fragte Mat.
Elayne nickte. »Eine hat dich erwähnt. Anscheinend suchen die Schattenfreunde schon längere Zeit nach dir, um dich zu töten.«
Birgitte zuckte mit den Schultern. »Es sind Schattenfreunde. Zweifellos wollen sie uns alle tot sehen.«
»Das war etwas anderes. Es erschien… verbissener. Ich schlage vor, du passt in nächster Zeit gut auf dich auf.«
»Das will ich sehen«, bemerkte Birgitte. »Wenn man bedenkt, dass er gar nicht weiß, wie so etwas geht.«
Mat verdrehte die Augen. »Habe ich irgendwie deine Erklärung verpasst, was du in dem verdammten Kerker zu suchen hattest, wo du in deinem eigenen Blut gehockt und ausgesehen hast, als hättest du in einem Scharmützel auf dem Schlachtfeld zu den Verlierern gehört?«
»Ich habe die Schwarzen Ajah verhört«, erwiderte Elayne. »Die Einzelheiten gehen dich nichts an. Birgitte, was ist mit dem Bericht vom Palastgelände?«
»Niemand hat Mellar gesehen«, sagte die Behüterin. »Allerdings fanden wir draußen die Leiche des Sekretärs; sie war noch warm. Starb durch einen Messerstich in den Rücken.«
Elayne seufzte. »Shiaine?«
»Weg. Zusammen mit Marillin Gemalphin und Falion Bhoda.«
»Der Schatten konnte sie nicht in unserer Gewalt lassen«, sagte Elayne und seufzte erneut. »Sie wussten zu viel. Man konnte sie nur retten oder hinrichten.«
Mat zuckte mit den Schultern. »Nun, du lebst, und drei von ihnen sind tot. Klingt nach einem halbwegs vernünftigen
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