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Der Traum des Wolfs

Der Traum des Wolfs

Titel: Der Traum des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan , Brandon Sanderson
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die Gänge passierten, trafen sie auf andere Schwestern, die in die gleiche Richtung strömten. Die meisten von ihnen trugen ihre Stolen. Man hätte denken können, dass daran die Nachricht des Tages schuld war, aber in Wahrheit hielten viele noch immer an ihrem Misstrauen gegenüber anderen Ajahs fest. Noch ein Grund, Elaida zu verfluchen. Egwene hatte große Anstrengungen unternommen, die Burg wieder zu einer Einheit zu schmieden, aber man konnte einen Jahresvorrat zerrissener Netze nicht in einem Monat flicken.
    Endlich erreichten sie den Saal der Burg. Schwestern drängten sich in dem breiten Korridor davor, getrennt nach ihren Ajahs. Chubain eilte los, um mit den Wächtern an der Tür zu sprechen, und Saerin betrat den Saal, wo sie zusammen mit den anderen Sitzenden warten konnte. Siuan blieb bei den Dutzenden, die sich vor der Tür versammelt hatten.
    Die Dinge veränderten sich. Egwene hatte eine neue Behüterin der Chroniken, die Sheriam ersetzte. Dass ihre Wahl auf Silviana gefallen war, machte Sinn - für eine Rote war die Frau für ihre Vernunft bekannt, und sie auszuwählen hatte dabei geholfen, die beiden Hälften der Burg wieder zu vereinen. Aber Siuan hatte irgendwie gehofft, in diese Position erwählt zu werden. Jetzt wurde Egwenes Zeit so beansprucht - und sie kam so gut mit allem zurecht -, dass sie sich immer weniger auf Siuan verließ.
    Das war eine gute Sache. Aber es war auch ärgerlich.
    Die vertrauten Dinge, der Geruch von frisch geputztem Stein, die hallenden Schritte … Als sie sich das letzte Mal an diesem Ort befunden hatte, hatte sie darüber geherrscht. Das war vorbei.
    Sie hatte nicht vor, wieder den Weg nach oben zu beschreiten. Die Letzte Schlacht stand kurz bevor; sie hatte keine Lust, ihre Zeit mit Streitereien der Blauen Ajah zu verschwenden, während sie sich wieder in die Burg einfügten. Sie wollte das tun, was sie sich vor all diesen Jahren zusammen mit Moiraine vorgenommen hatte. Dem Wiedergeborenen Drachen den richtigen Weg zur Letzten Schlacht zu weisen.
    Durch den Bund fühlte sie Brynes Ankunft, bevor er sprach. »Das ist aber eine besorgte Miene«, sagte er und übertönte Dutzende von gedämpften Gesprächen, die den Korridor erfüllten.
    Siuan drehte sich zu ihm um. Er war stattlich und erstaunlich ruhig - vor allem für einen Mann, der von Morgase Trakand verraten und dann in die Ränke der Aes Sedai verwickelt worden war, um dann gesagt zu bekommen, dass er seine Truppen in die Frontlinie der Letzten Schlacht führen würde. Aber das war Bryne. Gelassen bis zur Selbstverleugnung. Er beschwichtigte ihre Sorgen einfach nur durch seine Anwesenheit.
    »Du kamst schneller, als ich das für möglich gehalten hätte«, sagte sie. »Und ich mache keinesfalls eine ›besorgte Miene‹, Gareth Bryne. Ich bin eine Aes Sedai. Es ist meine Natur, mich und meine Umgebung unter Kontrolle zu haben.«
    »Ja«, erwiderte er. »Aber je mehr Zeit ich unter den Aes Sedai verbringe, desto häufiger grüble ich darüber nach. Haben sie ihre Gefühle unter Kontrolle? Oder verändern sich diese Gefühle einfach nie? Wenn man sich immer sorgt, wird man immer gleich aussehen.«
    Sie musterte ihn. »Alberner Mann.«
    Er lächelte und betrachtete den Korridor voller Aes Sedai mit ihren Behütern. »Ich war bereits mit einem Bericht auf dem Rückweg zur Burg, als mich dein Bote fand. Danke.«
    »Gern geschehen«, sagte sie barsch.
    »Sie sind nervös. Ich glaube nicht, dass ich die Aes Sedai je so sah.«
    »Nun, kannst du uns das verdenken?«, fauchte sie.
    Er sah sie an, dann legte er ihr die Hand auf die Schulter. Seine starken schwieligen Finger strichen über ihren Hals. »Was ist denn los?«
    Sie holte tief Luft und blickte zur Seite, als Egwene endlich eintraf und in ein Gespräch mit Silviana vertieft auf den Saal zuging. Wie gewöhnlich schlich der ernste Gawyn Trakand wie ein ferner Schatten hinter ihr her. Von Egwene nicht anerkannt, nicht als ihr Behüter gebunden, aber auch nicht aus der Burg verbannt. Seit der Wiedervereinigung verbrachte er seine Nächte damit, Egwenes Türen zu bewachen, obwohl sie das ärgerte.
    Als sich Egwene dem Eingang zum Saal näherte, traten die Schwestern zurück und machten ihr den Weg frei, einige nur zögernd, andere andächtig. Sie hatte die Weiße Burg aus ihrem Inneren heraus auf die Knie gezwungen, während man sie jeden Tag geprügelt und mit so viel Spaltwurzel abgefüllt hatte, dass sie mit der Macht kaum eine Kerze entzünden konnte. So jung.

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