Der Traum des Wolfs
bezwingen.
Er fing an, seine Sprünge zu variieren, folgte dem Hirsch nicht mehr auf direktem Weg. Er musste einen Vorsprung herausholen, nicht hinterherhetzen! Der Geruch des Hirschbocks wurde besorgter. Das trieb Junger Bulle zu noch größerer Geschwindigkeit an. Der Hirsch schoss nach rechts, und Junger Bulle sprang, traf einen Baumstamm mit allen vier Pfoten und stieß sich seitwärts ab, um die Richtung zu ändern. Die Drehung verschaffte ihm einen Vorteil vom Bruchteil eines Herzschlages.
Bald jagte er nur noch einen Atemzug hinter dem Hirschbock her, jeder weitere Sprung brachte ihn auf wenige Zoll an seine Hufe heran. Er stieß ein Heulen aus, und seine Brüder und Schwestern hinter ihm erwiderten seinen Ruf. Diese Jagd vereinte sie.
Aber Junger Bulle führte.
Sein Heulen verwandelte sich in ein triumphierendes Knurren, als der Hirschbock erneut die Richtung wechselte. Die Chance war da! Junger Bulle setzte über einen Stamm hinweg und schnappte mit den Reißzähnen nach dem Hals des Hirschs. Er schmeckte Schweiß, Fell und warmes Blut. Sein Gewicht warf den Hirschbock zu Boden. Während sie sich umherwälzten, ließ Junger Bulle nicht los, zwang seine Beute, über deren Haut scharlachrotes Blut strömte, auf den Waldboden.
Die Wölfe heulten ihren Sieg hinaus, und einen kurzen Augenblick lang ließ er los, um nach der Vorderseite des Halses zu beißen und zu töten. Anderes existierte nicht mehr. Der Wald war verschwunden. Das Heulen verblich. Da war nur noch das Töten. Das süße Töten.
Eine Gestalt krachte in ihn hinein und schleuderte ihn ins Unterholz. Benommen schüttelte Junger Bulle den Kopf, knurrte. Ein anderer Wolf hatte ihn aufgehalten. Springer! Warum?
Der Hirsch sprang auf die Füße und raste weiter in den Wald hinein. Junger Bulle heulte vor Wut und Zorn, wollte ihm hinterherjagen. Wieder machte Springer einen Satz und warf sein Gewicht gegen Junger Bulle.
Wenn erstirbt, stirbt er den letzten Tod, übermittelte Springer. Die Jagd ist vorbei, Junger Bulle. Wir jagen ein anderes Mal.
Um ein Haar hätte Junger Bulle Springer angegriffen. Aber nein. Das hatte er schon einmal versucht, und es war ein Fehler gewesen. Er war kein Wolf. Er …
Perrin lag auf dem Boden und schmeckte Blut, das nicht ihm gehörte, das Gesicht schweißüberströmt. Er kämpfte sich auf die Knie, dann setzte er sich keuchend wieder hin und zitterte von dieser wunderbaren, erschreckenden Jagd.
Die anderen Wölfe setzten sich, schwiegen aber. Springer legte sich neben Perrin, den grauen Kopf auf die alten Pfoten gelegt.
»Das ist es«, sagte Perrin schließlich, »was ich fürchte.« Nein, du fürchtest es nicht. »Du sagst mir, was ich fühle?« Du riechst nicht nach Angst.
Perrin ließ sich wieder auf den Rücken fallen und starrte zu den Ästen hinauf; unter ihm zerfielen Zweige und Blätter. Sein Herz pochte von der Jagd. »Dann sorge ich mich eben deswegen.«
Sorge ist nicht dasselbe wie Furcht, meinte Springer. Warum das eine sagen und das andere fühlen? Sorgen, sorgen, sorgen. Das ist alles, was du tust.
»Nein. Ich töte auch. Wenn du mir beibringen willst, wie man den Wolfstraum meistert, wird das auf diese Weise geschehen?«
Ja.
Perrin sah zur Seite. Das Blut des Hirschbocks war auf einen trockenen Stamm gespritzt, Dunkelheit, die ins Holz eindrang. Auf diese Weise zu lernen würde ihn bis an den Rand der Verwandlung in einen Wolf bringen.
Aber er hatte dieses Problem zu lange vor sich hergeschoben, hatte Hufeisen geschmiedet, während er die schwierigsten und anspruchsvollsten Stücke nicht angerührt hatte. Er verließ sich auf die Macht der Witterung, die man ihm verliehen hatte, griff nach den Wölfen, wenn er sie brauchte - aber ansonsten ignorierte er sie.
Man konnte keinen Gegenstand schmieden, bevor man seine einzelnen Teile verstanden hatte. Er würde nicht wissen, wie er mit dem Wolf in seinem Inneren umgehen musste - oder ihn zurückweisen konnte -, bevor er den Wolfstraum verstand.
»Also gut«, sagte Perrin. »Dann soll es eben so sein.«
Galad ließ Stämmig durch das Lager traben. An allen Seiten errichteten Kinder Zelte und gruben Feuerstellen, bereiteten alles für die Nacht vor. Seine Männer marschierten jeden Tag fast bis zum Einbruch der Nacht, am nächsten Morgen standen sie in aller Frühe wieder auf. Je schneller sie Andor erreichten, umso besser.
Die vom Licht verfluchten Sümpfe lagen hinter ihnen, jetzt reisten sie durch offenes Gelände. Vielleicht wären
Weitere Kostenlose Bücher